Das Wort „Schmock“ stammt aus dem Jiddischen und steht der Definition nach für einen Tölpel oder eine unangenehme Person – heute bedeutet es umgangssprachlich auch Dummkopf oder Esel. Im deutschen Sprachraum ist der Begriff durch Gustav Freytags Lustspiel „Die Journalisten“ von 1852 sprichwörtlich geworden und steht abwertend für einen gesinnungslosen Journalisten oder Schriftsteller. Wir merken: Schon alleine durch seinen Namen fügt sich das Schmock philosophisch perfekt in die Kulisse des neuen Volkstheaters ein. Aber ob’s hier auch schmockt? Let’s find out!
An dem imposanten Backsteingebäude des neuen Volkstheaters in der Tumblingerstraße sind wir auf unseren nächtlichen Streifzügen zum Bahnwärter Thiel zwar schon oft vorbeigelaufen, einen Blick ins Innere haben wir bisher allerdings noch nicht gewagt. Wie gut, dass wir mit unserem Besuch im Schmock jetzt endlich einen Anlass gefunden haben, diesen neuen Kultur-Spot auszuchecken. Wir spazieren durch den großen Torbogen geradewegs auf die Terrasse des israelischen Restaurants zu und können uns schon gut vorstellen, hier an warmen Tagen einen Aperitif zu schlürfen. Da es an diesem Tag aber noch etwas frisch draußen ist, nehmen wir erst einmal die Innenräume unter unsere Geheimtipp-Lupe.
Durch die Eingangstür, über der die einladenden Worte „Welcome to Schmock Minchen“ in großen Lettern prangen, kommen wir in die Lounge mit einer imposanten Bar aus Beton und kleinen Bistrotischen. Hier können Theaterbesucher*innen auf der organisch geformten Couch nach der Vorstellung mit einem Drink den Abend ausklingen lassen; Gäste mit kleinem Hunger finden auf der Karte neben ausgewählten Spirituosen auch klassische Late-Night-Snacks wie Currywurst, Pommes Schranke oder Fish and Chips. Während der Barbereich etwas dunkler gehalten ist, wird der Essbereich im hinteren Teil des Restaurants durch eine riesige halbmondförmige Fensterfront mit Licht durchflutet. Wir nehmen an einem massiven Holztisch im Eck Platz und lassen den weitläufigen Raum mit den terrakottafarbenen Wänden, die der backsteinernen Außenfassade nachempfunden sind, auf uns wirken. Im Verlauf des Abends werden wir merken, dass trotz der Höhe des Raumes und und der vielen Tische eine angenehm ruhige Atmosphäre herrscht. Denn: Die Decke wurde wie in Theatersälen schallisoliert.
Der jüdische Gastronom Florian Gleibs hat das alte Schmock in der Augustenstraße 2016 aufgegeben. Nach dem laotischen Restaurant Vu Tang Kitchen, der Helene liebt dich und dem Meschugge im alten Volkstheater an der Brienner Straße, eröffnete Florian sein neues Schmock im September letzten Jahres. Sympathisch: Die Speisekarte in A3 ist von Hand geschrieben und reicht von Schmock-Klassikern über israelisches Streetfood bis hin zu heimischen Gerichten wie Königsberger Klopse. Wir starten mit „Abu Chassa“, einer Mischung aus israelisch-arabischen Vorspeisen und bekommen durch Tabouleh, Falafel, Hummus, Auberginen-Safta, Baba Ghanoush und den anderen Spezialitäten die volle Bandbreite an orientalischen Gewürzen zu schmecken. Weiter gehts mit der „Mekka Liesl“, also geschmortem Ofengemüse mit arabischem Reis und Rosinen (wir sagen nur: ein Gedicht) und „Ramat Gan“, eine Art dekonstruierter Döner mit Huhn, Rote Beete Hummus, Pimientos und Pita. Von veganen Gerichten bis zum gegrillten Oktopus und geschmorter Lammhaxe gibt die Karte alles her – außer Schweinefleisch. Der krönende Abschluss unseres jüdischen Abends: Schokotarte mit Minz-Eis. Ein wunderbares Zusammenspiel von süß und frisch.
Ihr wollt euch selbst mal an Levante-Gerichten probieren? Florian Gleibs liefert euch in seinem neuen Kochbuch über 80 abwechslungsreiche Rezepte, – darunter Klassiker und unbekannte Kreationen der arabisch-israelischen Küche. Als kleines Schmankerl on top erzählt euch der Inhaber des Schmock spannende Geschichten aus seiner Kindheit in einer jüdischen Familie und lüftet seine Küchengeheimnisse. Das Kochbuch könnt ihr über den Link vorbestellen.
Im neuen Schmock lockern aber nicht nur die vielen (und sehr guten) israelischen Weine oder Drinks, die Namen wie „Martini Rothschild“ oder „Schmockele“ tragen, die Stimmung auf. Durch lustige Plakate im Bar- und Loungebereich, die zum Beispiel den Monaco Franze mit Schläfenlocken zeigen oder witzige Sprüche mit deutsch-jüdischem Kontext, die Gläser, Weinetiketten und Tafeln zieren, möchte Florian Gleibs zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Menschen vermitteln. Wie es uns die Worte über dem Eingang schon prophezeit haben, ist im Schmock wirklich jeder willkommen. Hier treffen neben verschiedenen Kulturen und Generationen auch Theaterbesucher*innen, Schauspieler*innen und Intendant*innen aufeinander. Ihr solltet euch also nicht täuschen lassen vom chicen Ambiente und der eindrucksvollen Kulisse, – denn das neue alte Kult-Lokal und seine Mitarbeiter*innen passen einfach wunderbar ins alternative Schlachthofviertel passen. Wir kamen als Fremde und gehen als Freunde, die sehr gerne wieder kommen!