Faces of Minga #15 Mit Skirennläuferin Kira Weidle auf dem Berg

Geheimtipp Muenchen FoM20 KiraWeidle – ©Bereitgestellt von Kira Weidle

Noch ein letztes Mal die Muskeln anspannen und dann geht es auch schon in die Startbox: Sie wird in die Skier geklopft, um sie herum wuseln zahlreiche hektische Hilfskräfte, ein lautes Stimmwirrwarr erfüllt den Raum – und trotzdem ist Kira ganz bei sich. Das Adrenalin breitet sich in ihrem Körper aus, ihr Herz pocht, als sie sich an die Startlinie begibt. Der Countdown-Sound ertönt, sie bringt sich in Position und: “Goooo!“. Sie fliegt die Piste mit knapp 130 km/h runter, umfährt die gesteckten Tore mit vollendeter Präzision und gleitet unter Siegesjubel über die Ziellinie. Nur eine Minute und dreißig Sekunden – und der Zauber ist vorbei. Ungefähr so stellen wir uns vor wie wir aussehen, wenn wir in den schneebedeckten Wintermonaten unsere Schneebretter über die Hänge jagen – was bei uns allerdings für immer ein Wunschtraum bleiben wird, weil wir froh sein können, wenn wir heil am Lift ankommen, ist für dieses Skiwunderkind aus dem deutschen Kader Realität: Kira Weidle. 25 Jahre jung und eines der vielversprechendsten Talente auf den Skiern. 

Kiras Königsdisziplinen: Abfahrt und Super G.
Kiras Königsdisziplinen: Abfahrt und Super-G.

Der Berg ruft!

Während wir die Wochenenden in unseren Teeniejahren maßgeblich damit verbracht haben auszutesten, wie man sich fühlt, wenn man sich ausschließlich von Discoschorle und Bier ernährt, hat die passionierte Sportskanone die Berge der Umgebung erkundet: Bereits mit 15 Jahren zog es sie aus ihrer Heimatstadt Starnberg nach Obersdorf aufs Skiinternat, wo sie nicht nur Mathe, Deutsch & Co. lernte, sondern vor allem, was es heißt, aus dem Koffer zu leben. Über 200 Tage im Jahr war die gebürtige Stuttgarterin auf Achse, um ihrem Traum eine professionelle Skirennläuferin zu werden, ein kleines Stückchen näher zu rücken. 

Auch im Sommer verzichtet sie nicht auf alpine Abenteuer.
Auch im Sommer verzichtet sie nicht auf alpine Abenteuer.

Heimatgefühle on the slopes

Unterstützt hat sie dabei nicht nur ihr großer Bruder Luis, sondern natürlich auch ihre Eltern – angefangen bei endlosen Fahrten zu allen möglichen Trainings bis heute, wenn ihre ganz persönliche Heldin im Garmischer Heimweltcup um den heiß ersehnten Podiumsplatz kämpft. Ob das Druck aufbaut wenn die geliebte Bagage am Pistenrand steht? „Eigentlich nie“, sagt die bodenständige Sportlerin. „Mir geht da eher das Herz auf.“ Würde uns auch – wenn hinter der Ziellinie nicht nur die eigene Family, die engsten Freunde, sondern auch noch die Starnberger Blasmusi warten würde. Und wenn man dann noch einen Platz auf dem Treppchen einfährt, könnte es ja besser eigentlich nicht laufen… 

So sehen Siegerinnen aus!
So sehen Siegerinnen aus!

Was ist eigentlich… …der Unterschied zwischen zwischen Abfahrtslauf und Super-G?

Die Abfahrt gilt als älteste Königsdisziplin – schneller, riskanter und länger ist kein Wettbewerb im alpinen Skisport. Ob vereiste Flächen, scharfe Kurven, hohe Sprünge… man muss auf alles vorbereitet sein. Beim noch recht jungen Super-G wartet zwar eine kürzere Abfahrt auf die Läufer, dafür aber eine noch extremere technische Herausforderung – die nicht zuletzt an den eng gesetzten Toren liegt.

Plan B in der Hinterhand

Kiras Mission seit ihrem zehnten Lebensjahr: Am liebsten eine Olympia Medaille mit nach Hause bringen. Olympische Luft hat sie immerhin schon mal geschnuppert – auch wenn die Welt sich in Südkorea offensichtlich anders dreht. „Da fehlt die Begeisterung für den Skisport leider.“ Nicht so in Lake Louise: Da räumte die ehrgeizige Abfahrtsläuferin im letzten Jahr den dritten Platz ab. Apropos ehrgeizig – dass die lebensfrohe Starnbergerin Biss hat, dass wissen wir ja jetzt bereits. Aber was wir bei Sportlern bis jetzt selten erlebt haben ist dieses bewundernswerte Maß an Gelassenheit: Solange es ihr Spaß macht und sie keine Verletzungen hat, bleibt sie dabei. Danach? Wartet Plan B. Weil sie ja sonst nichts zu tun hat (haha!) legt sie gerade nebenher noch ein Fernstudium ab und ist bei der Bundeswehr als Sportsoldatin angestellt. Mal abgesehen von dem täglichen vierstündigen Sportprogramm, das ganzjährig absolviert werden muss. Geht’s nur uns so oder fühlt ihr euch auch irgendwie untätig? 

Freizeitglück. Muss auch sein.
Freizeitglück. Muss auch sein.

Wenn ich den See seh, brauch ich kein Meer mehr

Wir zücken unseren imaginären Hut vor so viel Tatendrang! Aber auch bei so viel Enthusiasmus muss man irgendwann mal eine kleine Pause machen. Dafür eignet sich nach einem langen Trainingstag bestens der Eisbach oder der heimische See. Denn da fühlt sich die berufsbedingte Weltenbummlerin immer noch am wohlsten: In der Heimat. Also in Starnberg. Die Berge sind für sie in greifbarer Nähe, der See ist ihre Energiequelle, unsere bayerische Weltstadt mit Herz nur einen Katzensprung entfernt. Hier kann sie bei ausgedehnten Joggingrunden Kraft in der Natur tanken und sich ganz auf sich fokussieren – oder sich mit ihren Herzensmenschen, die ihr über die Jahre hinweg bedingungslose Freundschaft bewiesen haben, im Garten auf eine Reunion treffen. Da sitzt sie übrigens, Corona sei Dank, während unserem Interview auch. Zwischen zwitschernden Vögeln, der lieben Familie (noch vertragen sie sich, wir sollen sie in zwei Wochen nochmal fragen) und mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Wir freuen uns jetzt schon darauf die athletische Sympathieträgerin in der kommenden Saison in Action zu sehen! Und wenn wir Glück haben, bringt sie uns ja vielleicht sogar noch was bei… Kira, wie wär’s?