Hätte man uns mit fünfzehn Jahren eröffnet: „Kinder, wir ziehen nach Mexiko!“, wäre unsere Kinnlade so schnell wohl nicht mehr hochgeklappt. Das heißgeliebte, sichere München; unsere Heimat, das bayerische Idyll verlassen, um in ein Land zu ziehen, dessen Sprache wir nicht beherrschen, dessen Kultur uns völlig fremd ist und dessen prozentuale Kriminalitätsrate gefühlt höher ist als der prozentuale Bierkonsum in Minga? Puh, nee lass mal, unser innerer Hasenfuß hätte dankend abgelehnt. Nicht so Taigas aufgeweckte Seele, die durch Neugierde und ein gesundes Maß an Übermut angetrieben wird: Die Rapqueen hat Wurzeln geschlagen im Land der Sonne und des Tequilas und hat heute das große Glück, in zwei Kontinenten Zuhause zu sein. Wie sich das anfühlt? Werdet ihr gleich erfahren.
Angst? Ein Fremdwort für das bayerische Mädel, dass mexikanisches Temperament im Herzen trägt. Die Vorfreude überwog, als sie mit fünfzehn Jahren mit ihrer Familie von Schwabing ins 10.000 Kilometer entfernte Guadalajara zog. In zwei Koffern ihr ganzes bisheriges Leben. Getrübt wurde die anfängliche Euphorie nicht etwa durch etwaige Kulturschocks, sondern durch die neue Schule: Eine deutsche Eliteschule mit der Sorte Kindern, mit denen sie schon in München nichts anfangen konnte. Ihr wisst schon – haste was, biste was. Für die freiheitsliebende Taiga, die mit Vorurteilen und Schubladendenken so gar nichts anfangen kann, Grund genug, sich ihre Herzensmenschen woanders zu suchen.
„Wenn rechts Licht war, bin ich links gegangen“. Das Unbekannte erforschen. Ins Ungewisse stolpern. Das echte Leben spüren. Der ungewöhnliche Weg, den sie einschlug, führte die junge (und zugegebenermaßen auch etwas naive) Musikerin schnurstracks in die authentischen Barrios, also sozusagen in die kleinen Ghettos der Stadt. Wir kriegen große Augen – in die Ghettos? Echt jetzt? Ist das nicht gefährlich? Auch Taiga will das nicht gänzlich schönreden: „Ja, es kann gefährlich sein. Hätte ich eine Tochter würde ich sie, auf Grund meiner eigenen Erfahrung, wahrscheinlich nicht so leichtsinnig loslaufen lassen“. Auf der anderen Seite hat ihre Intuition sie genau da hingeführt, wo, neben all den klischeebehafteten Gangs und der dunklen Unterwelten, etwas passiert ist, was ihr Leben verändert hat: Sie hat inspirierende Menschen getroffen, Freunde fürs Leben gefunden, Spanisch zu ihrer zweiten Muttersprache gemacht und im Hip Hop mehr als eine Leidenschaft gefunden. Und sie hat einen Spitznamen bekommen: La Cholemana. Ein Mix aus den Wörter „Cholo“ (wir beschreiben es jetzt mal so: Das klassische mexikanische Cool Girl aus der mexikanischen Bandenszene) und Alemán, also schlicht „die Deutsche“. Ihre Augen leuchten während sie das alles so erzählt – und wir können das feurige Latinoherz im Takt mir ihrer bayerischen Heimatliebe förmlich schlagen hören.
Aber lasst uns noch ein wenig von ihrer musikalischen Passion sprechen – schließlich spielt die ja sozusagen die leitende Hauptrolle in ihrer aufregenden Lebensgeschichte. Als Gangster-Rapperin sieht sich sich die neugierige Powerfrau nicht, eher als Brückenbauerin – als Übersetzerin zweier unterschiedlicher Kulturen, die sich in ihren kraftvollen Beats und den aussagekräftigen Texten vereinen. Wir hören Hip-Hop, so wir wir ihn lieben – dynamisch, zeitgemäß, facettenreich, kräftig – und fühlen trotzdem die starken Emotionen, die die einfühlsame Taiga in ihre Worte verpackt. Kein hirnloses Blabla, sondern Authentizität, Mut und Sinn. Ihr werdet wissen was wir meinen, wenn ihr reinhört – ganz bald sogar schon in ein neues Album, Corona sei Dank. Eigentlich hätte sie nämlich gerade gar nicht hier sein sollen, sondern in ihrer zweiten Heimat Mexiko. Ohne Rückreiseticket. Aber da es ja bekanntlich immer anders kommt, als man denkt, hat sie mit ihrem einnehmenden Optimismus eben das Beste aus der Situation gemacht.
Sie hat sich außerdem weiterentwickelt, sagt sie: Nicht nur namenstechnisch – Taiga Trece wird zu Taiga 13 (ja, wir geben es zu, auch wir hatten unsere Sprachschwierigkeiten zu Beginn) – sondern vor allem auch im Bezug auf ihren Rap und ihrer Beatkomposition. Ob sie erwachsener geworden ist? Vielleicht. Im Kern. Sie nimmt sich jetzt sogar mal ein Taxi, nachts, alleine, in den Straßen Mexikos. Und dennoch bleibt sie diese neugierige, aufgeschlossene junge Frau, die im Herzen noch gerne Kind ist. Die noch nicht bereit ist, sich zu settlen, weil ihr Aktionismus noch lange nicht gestillt ist. Zumindest jetzt noch nicht, in diesem Moment. Und wisst ihr was? Das ist genau richtig so. Denn wir hoffen sehr, dass du, liebe Taiga, deinen Weg in deinem Rhythmus gehst, dir von niemandem etwas anderes sagen lässt und weiterhin so inspirierend bleibst. Hasta luego und wir hören dich bald!