Faces of Minga #16 Mit Barkeeper Andi Till im Pacific Times

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Ein Gastgeber, wie er im Buche steht – oder zumindest stehen sollte. Unkonventionell, sympathisch, ehrlich. Offen und dennoch professionell zurückhaltend. Bodenständig. Etwas, was in der Gastro-Branche nicht immer selbstverständlich ist. An Andi Till, Barmann und Inhaber des Pacific Times, einer allseits bekannten Kult-Perle in der Baaderstraße, fasziniert uns nicht nur seine Gabe, extravagante Drinks zu zaubern, sondern vor allem seine bewundernswerte Menschenkenntnis, sein schier grenzenloses Energielevel und seine positive Lebenseinstellung. Ach – und haben wir schon seinen Hang zu äußerst inspirierenden Metaphern erwähnt? 

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Mix it up, Andi!
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Zwischen den Stühlen

Der geborene Münchner hat schon früh verstanden, welche Glücksgefühle es einem bereitet, anderen etwas Gutes zu tun: Dank seiner ungarischen Wurzeln waren die heimischen vier Wände stets mit Leben und der überdimensionale Kühlschrank mit Köstlichkeiten gefüllt. Die rauschenden Familienfeste, bei denen der kleine Bub den Erziehungsberechtigten den Martini Bianco in perfekt beschlagenen Gläsern und mit einer kunstvollen Zitronenzeste servierte, waren oft chaotisch – und lehrreich. Was den Deutschen an Ausgelassenheit oft fehlt, haben die Ungarn an Struktur zu wenig. Means: Jede Kultur hat seine Vorzüge und Andi hat sich quasi the best of both worlds angeeignet. Geprägt hat ihn dabei aus familiären Kreisen vor allem einer: sein Opa. Der ehemalige Fußballer hat ihm früh gezeigt, dass es sich lohnt, auf den eigenen Genuss zu verzichten, solange alle anderen glücklich sind. Und dass das nichts mit einer devoten Haltung zu tun hat, – sondern mit Anerkennung belohnt wird. 

Wusstet ihr eigentlich… …was der Unterschied zwischen einem Barkeeper und einem Bartender ist?

Nein? Wir auch nicht. Aber dafür haben wir ja Andi. Spricht man vom Barkeeper, meint man in der Regel denjenigen, dem die Bar gehört, während der Bartender die Longdrinks macht und für frisch gezapftes Bier zuständig ist. Und dann wäre da noch der Mixtologe – dessen Fachbereiche sind Cocktails und die liquide Fine Dining Begleitung. Und was ist Andi? „Barmann.“ Ah, okay. Da gibt’s noch was? Egal. Wir fragen jetzt einfach nicht weiter nach.

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Campari – ein Lebensgefühl
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Klischeefreie Zone

Apropos: Wie haltet ihr das eigentlich mit der Vergabe von anerkennenden Komplimenten? Lasst ihr einen Gruß an die Küche weitergeben, wenn ihr findet, dass man euch ausgezeichnet bekocht hat? Schenkt ihr dem Barkeeper ein lächelndes „Danke“, wenn er euch euren Lieblingsdrink auf den Punkt gezaubert hat? Wir hoffen doch! Denn für Andi hat dieses Feedback (auch, wenn es mal negativ ist) die Wirkung einer kleinen Droge, es macht süchtig. Schließlich tut man ja genau dafür sein Bestes. Und das Beste fängt detailverliebt an und hört im großen Ganzen auf: Vermeintlich banale Kleinigkeiten wie die Qualität der Eiswürfel sind genauso entscheidend für den Geschmack wie die Machenschaft der Spirituose,  – welches Kaltgetränk eurem Gaumen, Gemütszustand und Charakter schmeichelt, das versuchen Andi und seine empathischen Jungs euch quasi von den Lippen abzulesen. Dabei gibt es keine Regeln, kein Gesetz, keine Vorurteile, – nur die eigene Intuition, die mit Worten schwer zu beschreiben ist. Schließlich gibt es auch starke Männer, die gerne mal einen Aperol Spritz aus dem Strohhalm schlürfen und fesche Damen, die ihren Durst mit einer Hoiben löschen. Es ist eine Kunst, die es zu verstehen gilt, um seinen Job an der Bar zu leben.

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Seit 1997 ein Herzstück in der Gastroszene.
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Von Zeitreisen und Schleudersitzen

Eine Kunst, die Andi seit vielen Jahren perfektioniert hat: Während der Schule hat er auf privaten Partys mit zwei Buddies bereits eine Cocktailbar aufgezogen, – danach tobte er sich in der ersten Tex-Mex Bar Münchens, dem Joe Peñas, aus. Allerdings vorerst nicht am Cocktailshaker, sondern am Putzeimer, denn an der Bar gab es zu Beginn noch keinen Platz für ihn. Doch das sollte sich schnell ändern: In kürzester Zeit verwandelte sich der Tresen in seine Spielwiese, er wurde erst Barchef, dann Geschäftsführer. Nicht nur die Barkultur hat sich seit seinem Einstand gewandelt, – auch seine Gäste von damals sind mit ihm erwachsen geworden und auch heute noch treu. Mit dem Unterschied, dass sie jetzt im schnörkellosen Pacific Times ihre Drinks bestellen. Ruhesuchende Alltags-Ausreißer finden in dem rustikal charmanten Eckladen im Glockenbachviertel eine Oase der Entspannung, in dem jedes Möbelstück eine Geschichte erzählt. Der vorletzte Barhocker zum Beispiel: Intern nur der Schleudersitz genannt, saß auf ihm schon der ein oder andere Unruhestifter, den man freundlich des Ladens verwiesen hat. Also – Augen auf bei der Sitzplatzwahl!

Das ganze Interview gibt’s auch in unserem Podcast

Kleine feine Glücksmomente

Aber noch mal zurück zu Andi. Wenn er gerade nicht in seinem Laden arbeitet, gibt er Workshops und Schulungen, lässt sich mit anderen Gastronomen bei Besichtigungen alter Destillerien oder Ähnlichem inspirieren oder besucht seine langjährigen Kollegen in der Schuhmanns, Ory oder Zephir Bar. Oder er sitzt in Venedig in einem Café und frönt dem laissez-fairen Nichtstun. Wenn die Zeit diesen Luxus erlaubt. Ach, und übrigens: Durch seine Adern fließen nicht nur Ehrgeiz, Energie und Empathie, – sondern auch gerne mal Champagner und Campari Soda. Passt, denken wir uns. Der Champagner als rustikales Produkt gemacht mit Herz und Wissen, dessen Entstehungsgeschichte übrigens eine überraschende ist (fragt Andi mal, wenn ihr im Pacific Times seid, der erzählt das so schön – oder hört unseren Podcast an, da erfahrt ihr es auch) und der Campari, der als schwer zugänglich gehandelt wird, dessen Kern aber weicher ist als gedacht, wenn man erst mal weiß, wie man ihn zu nehmen hat… Ein Hoch auf dich, Andi! Und darauf, dass du uns auch noch die nächsten 23 Jahre mit einem breiten Lächeln in deinem Kultladen empfängst.