Es ist Sonntag, 17 Uhr. Gerade will ich mal wieder die App mit dem kleinen Kamera Icon öffnen und checken, was sich in meiner Bubble in den letzten 20 Minuten wohl so potenziell Weltbewegendes getan hat. Eben denke ich mir noch so: „Aber wirklich nur kurz.“ Und schwupps … ist es plötzlich 18 Uhr. Scheiße, jetzt war ich schon wieder eine Stunde am Handy. Und was zur Hölle habe ich bitte so lange da gemacht?! Warum ist das so? Warum werde ich immer wieder in den Bann gezogen und warum kann ich das nicht einfach mal lassen?
Klar. Ich bekenne mich dazu. Ich bin schon auch wirklich gerne auf Social Media unterwegs. Und allein aus beruflicher Sicht bin ich mittlerweile ohne Zweifel „Social-Media-High-Userin“. Ich liebe es zum Beispiel auf lustigen Stories von Ellen de Generes hängen zu bleiben, meiner besten Freundin ein neues Meme zu schicken, bei dem ich Tränen gelacht habe, oder mich von meinen Lieblingsaccounts inspirieren zu lassen. Ja, das macht mir wirklich Spaß. Wie schön ist es bitte, schnell mal eben mit jemandem etwas teilen zu können und direkt eine positive Rückmeldung zu bekommen?! Da fühlt man sich schon einfach gut. Und außerdem habe ich ja auch Channels und Personen abonniert, die mich wirklich interessieren. So denke ich oft sowas wie „Ach, die Raffaela ist gerade in Lissabon, wie schön!“ oder „Wow, das muss ich unbedingt auch mal machen.“ Ist doch super schön und inspirierend, oder? Jaaa, Social Media, ich will mehr von dir!
Während ich mich noch in weiten Sphären befinde und von Post zu Post scrolle, frage ich mich: Ist das denn wirklich so inspirierend wie ich meine?! Klar bin ich froh, dass ich durch Instagram und Co. mitbekomme, was meine Freund*innen machen und freue mich ehrlich für sie. Aber ich ertappe mich schon auch öfter dabei, dass ich mir dann denke: „Alter, jetzt macht die gerade schon wieder was richtig Geiles und ich sitze hier zuhause rum.“ Obwohl ich ja voll verstehen kann, dass man schöne Sachen postet. Ich kenne gleiches Verhalten auch von mir selbst. Ich poste aus dem Urlaub, weil es da besonders schön ist. Und mache eine Story, weil ich seit 13 Monaten mal wieder wandern bin und ein super tolles Sporty-Pic mit Traumaussicht auf dem Berg machen kann. So macht man das doch, oder? Da frage ich mich dann, ob eine Raffaela, die gerade zuhause sitzt, wohl genau das gleiche über mich denkt in solchen Situationen. Dann würde ich mir nämlich sagen: „Super, Lisa. Du reproduzierst gerade genau den gleichen Dreck. Schön nur die Sachen posten, die alle anderen auch cool finden. Ist das nicht das, was dich selbst immer bei anderen aufregt?!“ Das fällt mir übrigens auch bei diesen Inhalten in meinem Feed auf, die sich da irgendwie reinschmuggeln, weil sie scheinbar ganz genau zu meinem Algorithmus passen. Klar, manchmal stimmen die auch überein und sind sogar ganz cool. Aber oft eben auch nicht. Ist das bei euch auch so? Facebook, Instagram, warum macht ihr das?!
Jaja genau, ihr sozialen Medien wollt uns natürlich nur helfen noch mehr schöne Sachen zu entdecken. Wer’s glaubt, wird seelig. Das Einzige, was ihr uns suggeriert ist FOMO – fear of missing out. Ihr helft uns nicht mit eurem ständigen „Schau-mal-das-könnte-dich-auch-interessieren-Scheiß“. Ihr habt uns vielmehr dazu erzogen, konstant das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Irgendwo da draußen backt immer irgendjemand Bananenbrot, teilt seine persönlichsten Gedanken oder macht irgendwas außerordentlich Tolles. Und wenn ich das nicht verpassen will, sollte ich so viel Zeit in der App verbringen wie nur möglich. Das nervt mich wirklich. Ich habe keine Lust die ganze Zeit drauf zu warten, dass ich irgendetwas sehen könnte, das mir dann vielleicht sogar gefällt. Das kostet nicht nur Nerven, sondern auch extrem viel Zeit. Leute, seht ihr was Social Media mit uns gemacht hat? Ein Haufen Elend, das darauf wartet mit ach so tollem Content abgeholt zu werden. Immer, zu jeder Zeit, 24/7.
Und wenn ich immer nur sehe, dass alle Menschen in meinem Feed so wunderbar sind und die coolsten Sachen machen…ja, wo steh‘ ich denn dann?! Mit Gefühlen, dass ich nicht gut genug bin, sitze ich in meinem Bett und denke mir, was ich eigentlich gerade für ein beschissenes langweiliges Leben habe. Und wenn mich die Posts dann immer wieder daran erinnern, dass ich eigentlich noch zum Sport sollte oder mich heute schon wieder nicht „richtig“ ernährt habe…alter, dann hört’s wirklich auf. Was soll das denn? Ich möchte mein Leben doch eigentlich leben, wie ich will. Ohne, dass eine „Social-Media-Norm“ mir vorschreibt, wie ich es zu führen habe. Die Ansprüche, ein perfektes Leben zu führen und den aktuellsten Trends hinterher zu jagen, nehmen doch immer mehr zu. Entsteht dadurch nicht eine völlig unrealistische Lebenserwartung? Und wenn ich diese Erwartungen dann nämlich nicht erfüllen kann, sinkt mein Selbstwert und meine blöde Freundin FOMO kommt mich immer noch öfter besuchen. Ich sage nur: „Willkommen in meinem Leben, ihr Selbstzweifel!“. Na toll…
Manchmal wünsche ich mir wirklich, dass Instagram & Co. einfach von einem auf den anderen Tag nicht mehr funktionieren würden und da auch leider überhaupt nichts mehr zu machen wäre – einfach down! Dann würde niemand je auf Social Media irgendwas verpassen und könnte ganz normale Sachen tun, ohne gleich alles posten und sich die Likes einfahren zu müssen. Warum ich dann überhaupt einen Account habe und mich nicht vollkommen von Social Media abwende, wenn ich es scheinbar so hasse? Ja, wegen FOMO natürlich! Das ist ja die Kacke…Naja, aber ich will nicht die ganze Zeit so negativ sein. Ich habe ja vorhin selbst gesagt, dass es da durchaus positive Seiten gibt. Nicht alles ist soooooo schlecht. Ich folge zum Beispiel vielen Seiten, auf denen es um Kunst und Kultur, Nachhaltigkeit und psychische Gesundheit geht. Ich meine, der Content gibt mir schon echt was. Und da habe ich beim Anschauen auch nicht das Gefühl, dass es mir gerade nicht gut tut oder Zeitverschwendung wäre. Stößt ja schon auch an, dass ich mich im real life damit beschäftige. Juhu, eine Sache an Social Media, die ich gut finde!
Ja sorry, da kommt schon wieder was Negatives. Ich liege abends im Bett und möchte noch nicht schlafen – ich schaue auf mein Handy. Beim Warten auf die U-Bahn, in der Bahn oder beim Anstehen an der Supermarktkasse – ich zücke mein Handy. Finde schon auch, dass das ein berechtigter Zeitvertreib ist. In dem Moment, wenn man irgendwie warten muss. Aber oft schaue ich auch einfach so drauf. Denn anstatt für ein, zwei Artikel bei Spiegel & Co. vorbeizuschauen und mich über das wirklich Wichtige auf der Welt zu informieren, scrolle ich teilweise mehr abwesend als voll dabei durch meinen Instagram Feed. Und plötzlich ist so viel Zeit vergangen, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich eigentlich genau gemacht habe. Einfach eine Sache, die mich für den Moment unendlich unzufrieden macht. Kennt ihr das auch? Und Schuld ist – tadaa: vermutlich die FOMO. Oder was soll es sonst sein? Was ist so stark, dass es mich in den Bann zieht und für so viele Minuten nicht mehr loslässt?! Das Gefühl à la „Alter Lisa, mach‘ doch bitte mal was Sinnvolleres, das kann doch nicht sein“ stimmt mich nämlich auch nicht glücklich. Da könnte ich mein Handy wirklich manchmal zerhämmern oder erstechen.
Ahhhh, nein doch nicht, was hab ich getan?! Ich kann mein Handy doch nicht einfach wegwerfen. Ich will doch unbedingt sehen, was alle machen und selbst posten, dass ich morgen in den Urlaub fahre uuuund… Ach, ich weiß nicht was ich tun soll. Was jetzt die Konsequenz ist? Wenn ich das nur wüsste. Was genau ist es denn, das mich immer wieder in die App zieht? Was könnte ich mir vielleicht auch auf anderem Weg geben und wieviel Social Media tut mir wirklich gut? Ganz ehrlich – darauf habe ich noch keine Antworten. Und ich bin mir fast sicher, dass viele von euch diese Hass-Liebe verspüren. Wir lieben die Social Media Welt, weil wir inspiriert werden, uns austauschen können und eine Stimme bekommen. Und wir hassen sie, weil wir uns ständig mit anderen vergleichen, uns oft minderwertig, nicht spannend oder beliebt genug fühlen. Ich denke, für mich ist die Dosis wirklich entscheidend. Ich möchte nun mal auf meine mentale Gesundheit achten. Und wenn die durch die sozialen Medien negativ beeinflusst wird, ist es mir das einfach nicht wert. Ich meine, ich kann ja immer noch Zeit auf Instagram und Co. verbringen und mir das Beste daraus ziehen. Und ich kann versuchen, mich von dieser „Social-Media-Norm“ ein bisschen abzukapseln – Instagram und Co. genau so zu nutzen, wie es mir taugt und mich nicht so stark beeinflussen lassen. Aber bin ich überhaupt so stark, das zu tun? Passiert das Beeinflussen nicht automatisch? Ich weiß es wirklich nicht. Aber vielleicht kann ich mich öfter fragen, ob diese halbe Stunde durch den Feed scrollen noch unbedingt nötig ist. Ich könnte in der Zeit ja ganz viele andere tolle Sachen im real life machen, die mich vermutlich mehr und ehrlicher bereichern. Zum Beispiel meine Freundin Raffaela einfach mal kurz anrufen und fragen, wie es ihr in Lissabon eigentlich so geht und ob es tatsächlich so schön ist, wie es in der Story ausgesehen hat…