Leoprint, Paliettenglam und unten noch son’ richtig schöner Plastiktüll. Die Frau, die glaubt, sie müsse sich zur Wiesn ausstaffieren wie ein Z-Promi nach dem letzten QVC-Shoppingflash, liegt komplett falsch. Denn man kann sich tatsächlich auch besonders weiblich und außergewöhnlich zum Oktoberfest stylen, wenn man zur klassischen Tracht greift. Und damit folgt man sogar einem Trend, sagt die Münchner Trachtendesignerin Alexandra von Frankenberg. Unsere Autorin Julia hat sich von Alex in verschiedene Styles kleiden lassen – von lässig bis sehr traditionell – und war überrascht wie wandelbar hochwertige Trachtenmode sein kann.
Seit vielen Jahren beschäftigt sich die studierte Mode- und Kostümdesignerin mit der Tracht und führt seit 2012 zusammen mit ihrem Bruder Philippos und ihrem Mann Philipp das Label Amsel Fashion. „Damals war die Tracht bei Jugendlichen noch verpönt. Heue will jedes junge Mädel im Dirndl auf die Wiesn gehen“, sagt Alex. Das Dirndl als Trend darf jedoch nicht falsch verstanden werden. Nur weil das Kleidungsstück an sich jetzt IN sei, dürfe man an ihm nicht alle Trends der Mode durchspielen. „Leoprints, durchsichtige Schürzen mit Pailletten oder diese schrecklichen Tüllröcke – Trachtenvereinsmitglieder bekommen bei sowas die Krätze. Verständlich. Denn letztlich steckt da immer noch ein traditionelles Kleidungsstück hinter und das sollte man respektieren“, fasst es die Trachtenexpertin zusammen.
Was jedoch im Umkehrschluss niemals heiße, dass Tracht langweilig sein muss. Tatsächlich sei es sogar so, dass man mit einem hochgeschlossenen Dirndl dieses Jahr voll im Trend liege. „Kombiniert mit einem schönen hochwertigen Schmuck oder einem farbigen Tuch und rotem Lippenstift ist dieser Look super weiblich, aber eben auch stilvoll“, betont Alex. „Die weißen Strümpfe und Schnürschuhe gehören klassischer Weise dazu. Wer das nicht mag, kann aber auch Ballerina oder Filzslipper tragen.“ Wichtig sei bei hochgeschlossenen Dirndln aber, dass man maximal eine 80er Rocklänge wählt. „Sonst wirkt es einfach zu alt.“
Auszier – Stoffschmuck rund um’s Dekolleté
Kittelsaum – Stoffschmuck am Rock
Schößchen – Faltenwurf am unteren Rücken
Joppe/ Spencer – Kurzjacke
Janker – längere Trachtenjacke
Aber auch lange Röcke sind wieder angesagt. Näckisch dazu: eine Spitzenbluse. Zusammen mit einem Trachtenhut und einer „Joppe“ sei man so ein absoluter Hingucker nicht nur auf dem Oktoberfest. „Das schöne ist ja, dass man Tracht hier in München eigentlich immer tragen kann. Solch ein Outfit natürlich eher zu einem besonderen Anlass, einem schönen Sonntagsessen oder so,“ erklärt Alex. „Wenn ich ein Dirndl aber mit Jeansjacke kombiniere und einer Sonnenbrille, hab ich im Handumdrehen ein cooles Alltagsoutfit.“ Wichtig sei immer nur, dass es authentisch bleibe und nicht wie eine Verkleidung rüberkommt. Und: die Trägerin muss sich wohlfühlen. „Wir haben Kundinnen, die sind von oben bis unten tätowiert. Auch die sehen in Dirndl toll aus! Greifen dann aber eher zur Münchner Oktoberfest Tracht.“
Die Münchner Oktoberfest Tracht – das sind die eher farbenfrohen Dirndl, die sich von dem klassischen Trachtenstil in eher gedeckten Farben – waldgrün, tiefblau und dunkelrot – abheben. Dieses Jahr absolute Trendfarben: Pistaziengrün und Pastelltöne. Und was den Schnitt angeht: mit Schößchen. „Alles sehr feminin“, fasst die Trachtendesignerin zusammen. Und die dürfen dann auch etwas kürzer sein. „Aber bitte niemals kürzer als bis zum Knie, das ist ein NoGo“, betont Alex. Was ihrer Meinung nach auch gar nicht geht: eine zu kurze oder zu lange Schürze. Zwei Finger breit über dem Rockende seien perfekt. Die Single-Schleife links oder die Schleife rechts als Zeichen für die vergebene Liebesmühe sei übrigens eine Erfindung der Neuzeit, weiß die Expertin.
„Früher haben sich die Damen und Mädchen dadurch unterschieden, dass sie komplett andere Kleidungsstücke und Farben getragen haben, nicht durch die Platzierung der Schleife.“ Letzteres sei erst dadurch entstanden, dass die Frau damals immer rechts von ihrem Ehemann ihren Platz hatte. „Das hat aber die schöne Schleife verdeckt. Also entschlossen sich die verheirateten Damen, die Schürze rechts zuzubinden.“ Das heute immer noch gern getragenen Kropfband war zu früheren Zeiten eine Notlösung. „Denn viele Menschen bekamen aufgrund von Jodmangel einen Kehlenschnitt“, erklärt Alex. „Um die Narbe zu verbergen, trugen sie den Schmuck.“
NO! Schulterfreie oder schwarze Bluse
YES! Hoch geschlossenes Dirndl mit max. 80er-Rocklänge
NO! Strumpfhose mit wildem Muster
YES! Traditionstracht mit Antikschmuck und roten Lippen aufpeppen
NO! Tüllunterröcke und Chiffon
YES! Tücher ums Dekolleté drapieren
NO! Rock kürzer Knielänge
YES! Bei der Dirndl-Reinigung ’nen Meisterbetrieb wählen
NO! Sandalen oder weiße Schuhe
Wer sich näher mit der Tracht befasst – nicht nur weil er sich zum Oktoberfest aufhübschen will, sondern weil er die traditionelle Kleidung seines Heimatortes besser verstehen und in seien Alltag übernehmen möchte, wird auf spannende Geschichten und Bräuche stoßen. Das durften wir bei der Anprobe bei Alex von Amsel Fashion erleben. Und er wird merken, dass die traditionelle bayrische Mode alles andere als oll und langweilig ist. „Wenn man versteht, woher der Stil kommt, welche Geschichte er erzählt, dann kann man ihn auch respektvoll in die neue Zeit übertragen und mit modernen Elementen kombinieren“, weiß die Trachtendesignerin.
Einen abschließenden Tipp legt sie uns noch ans Herz: Selbst wenn mein Budget klein ist – lieber ein handgemachtes Dirndl kaufen. „Klar, da ist man so bei 400 Euro. Aber den Unterschied siehst du immer an der Passform und am Stoff. Und ein gutes Kleidungsstück kann man optimaler Weise sogar vererben. Dann einfach nur die Schürze und die Accessoires austauschen, wenn ich einem neuen Saisontrend folgen möchte.“ Und ob in alten Traditionen oder in neuen Farbtrends: mit der richtigen Tracht ist man in München nicht nur auf der Wiesn ein schöner Hingucker – für Trachtengrantler und für Modefreunde sowieso.
Outfit 1) Der Münchner Oktoberfest Look
Was? Dirndl in Grün und Pastell mit Schößchen, verspielt und feminin, dazu Pumps oder Ballerina
Was dazu? Im Haar: Blumenkranz. Mit Jeansjacke und Sonnenbrille auch alltagstauglich
Wo? Im Zelt und/oder auf dem Kettenkarussell
Outfit 2) Der weibliche Klassiker
Was? Hochgeschlossenes, geknöpftes Dirndl
Was dazu? Weiße Strümpfe und schwarze Schnürschuhe oder farblich passende Filzslipper ohne Socken, Strickjoppe oder floral-gemustertes Tuch
Wo? Auf der Office-Wiesn, beim Wiesnspaziergang mit den Schwiegereltern oder einfach beim Weißwurstfrühstück im Brauhaus
Outfit 3 – Die angezogene Traditionstracht
Was? Langes Dirndl in dunkler Farbgebung, edle dunkelrote Seidenschürze, Spitzenbluse, dunkle Absatzschuhe, Trachtenjacke und -Hut.
Was dazu? Etwas lässiger: Tuch statt Jacke. Bestes Accessoire: rote Lippen!
Wo? Eröffnungs- oder Abschlusswiesnfesttag, Hochzeiten oder andere feierliche Anlässe