Manche hassen das Oktoberfest, viele lieben es und noch mehr Leute gehen zwar hin, wissen aber eigentlich gar nicht, wie man sich ordentlich anzieht. Und outen sich damit auch sogleich als München-Frischling. Denn sind wir mal ehrlich: Tracht ist nicht gleich Tracht. Was der Touri hochachtungsvoll als solche bewundert, ist für den Ur-Münchner nicht viel mehr als ein Verbrechen an der bayrischen Tradition. Gerade als Zugereister fragt man sich spätestens im dritten Jahr wohnhaft in der Isarcity dann doch mal: „Sollte ich nicht vielleicht die Kopf-bis-Fuß-Gesamtausstattung für 59,95 Euro – anno dazumal vom Mitbewohner im Textildiscount gekauft und weitervererbt von einer Generation WG-Neuzugang zur nächsten – durch ein gescheites Outfit austauschen?!“ Die Antwort sollte in jedem Fall lauten: JA! Geheimtipp-Teamkollege Thommi hat sich für euch mal fachmännisch (bzw. -frauisch) stylen lassen und hat dabei alle wichtigen Fakten abgefragt, die ihn und euch davor bewahren auf dem Oktoberfest 2023 ins Outfit-Fettnäpfchen zu treten.
Klar, für eine wirklich gute Tracht mit der man sich auf der Wiesn eben NICHT verkleidet vorkommt, muss man schon ein paar Euro in die Hand nehmen. Damit sich die Investition lohnt, haben wir uns in Vorbereitung auf’s Oktoberfest mal von einem echten Trachtenmoden-Urgestein in deren Geheimnisse einweihen lassen. Agnes Mayr bringt seit vielen Jahren im Modehaus Hirmer Lederhosen und Co. an den Mann. Und hat in ihrer Karriere weiß Gott so einige Fauxpas ausmerzen müssen.
„Ich erinnere mich noch gut an ein junges Paar, das letztes Jahr bei uns durch’s Geschäft flanierte“, erzählt die Verkäuferin mit urbayrischem Charme. „Die waren nicht von hier, beide stolz wie Oskar, denn sie hatten sich eben komplett für die Wiesn eingekleidet.“ Blöderweise trug er eine lange Bundlederhose und dazu Lofer. Eine Kombi, die der Fachfrau direkt ins Auge stieß. „Das ist eines der absoluten Tabus in Sachen Tracht! Das geht wirklich gar nicht. Und das musste ich ihm einfach sagen, ich konnte nicht anders, der arme Kerl!“ Falsche Kombinationen, ungewollter Stilmix – mit solchen Mode-Moves kann man sich nicht nur auf der Wiesn ganz schnell ins Abseits katapultieren. Vor allem, wenn man auf Leute trifft, die wissen, was sich trachtentechnisch gehört. Dabei gebe es ein paar Regeln, die man einfach befolgen sollte, um das getragenen Lokalkolorit mit Überzeugung tragen zu können, sagt die Expertin.
Pfood’l – Stehkragenhemd
Loferl/ Stuz’n – Wadenwärmer
Grand’l – Stück vom Geweih am Jackenrevers
Janker – Trachtenjacke
Charivari – Schmuckkette
„Es gibt Männer, die fühlen sich einfach nicht wohl in einer Lederhose“, weiß Agnes Mayr aus Erfahrung. „Aber auch die können sich auf der Wiesn angemessen kleiden. Man kann das Trachtenhemd zum Beispiel mit Weste und Janker auch ganz leger mit Jeans oder Chino kombinieren.“ In dem Fall gelte aber: keine Trachtenschuhe! „Die gehören einfach nur zur Lederhose.“
Trachtenschuhe, Strümpfe, Lederhose, Hemd, Weste und Janker – aus diesen Teilen stellt sich die Volltracht für den Herren zusammen. 500 Euro sei ein Betrag, mit dem man mindesten rechnen müsse, wenn man sich als Mann eine gute und komplette Tracht anschaffen wolle, sagt Agnes Mayr. „Bei dieser Art von Mode ist es anders als in anderen Bereichen: Der höhere Preis ist fast immer gerechtfertigt, denn das ist echte Handarbeit. Wer mehr investiert, bekommt also tatsächlich etwas Besseres.“ Wer ein kleineres Budget hat, kann statt zur Hirschledernen (der König des Waldes ist auch der König der Lederhosen!) zum Wildbock greifen.
YES! Hirschlederhose mit schwarzen Schuhen
NO! Sneaker mit Trachtenstrümpfen
YES! Trachtenhemd und Weste mit Jeans kombinieren
NO! Hosenträger hängen lassen
YES! Lederhose alle 2 Jahre enger machen lassen
NO! Lederhose im Keller lagern (Feuchtigkeit!)
„Wenn du aber eine Hirschlederne trägst, dann in jedem Fall einen schwarzen Trachtenschuh dazu! Das ist eine der Grundregeln“, betont die Fachfrau. „Außerdem gilt: Strümpfe immer ganz hochziehen und die Hosenträger niemals runterhängen lassen! Wenn man das nicht haben kann, besser ganz abnehmen.“ Bei rustikaleren Lederarten könne Mann ohne Probleme zu anderen Schuhfarben oder sogar zum Sneaker greifen. „Wichtig ist dabei nur: Keine Strümpfe oder Kniewärmer dazu tragen, das sieht einfach albern aus und das würde auch kein echter Bayer machen“, betont Frau Mayr. Kurze Strümpfe trägt man zusammen mit Kniewärmern, den sogenannten Loferl, zur kurzen Lederhose. Zur langen Bundhose immer Kniestrümpfe.
Eine Lederhose ist ein treuer Begleiter für’s Leben. Wenn man sie richtig behandelt, hat sogar die nächste Generation was davon. „Damit das so ist, aber niemals waschen oder reinigen lassen! Wenn etwas dran ist, einfach das Leder aneinander reiben. Man kann der Hose ruhig ansehen, was sie alles hinter sich hat“, lacht die Fachfrau. Vorsicht aber, wenn zum Oktoberfest noch einmal die Sonne lacht: Sonnenmilch sei eine Pest für das Leder. „Die Säure greift es an. Ebenso wenn die Hose nass gelagert wird, zum Beispiel im Keller bis zur nächsten Saison. Dabei kann das Leder schimmeln!“
Bei den Accessoires kann die Expertin den Herren nur einen kleinen Trost zusprechen. Die Fülle an Möglichkeiten wie die Dame habe Mann zwar nicht… „Aber dafür zählt auch hier: Weniger ist mehr. Wenn es gut ist! Ein Charivari zum Beispiel wertet das ganze Outfit auf. Aber eben nur, wenn es kein Modeschmuck ist, sondern ein echtes Handwerksstück.“ Ein Hut, gibt die Fachfrau zu bedenken, sei eher nichts für die junge Generation. „Das kann halt nicht jeder tragen und dann sieht’s auch schnell mal verkleidet aus. Also im Zweifel lieber weglassen. “
Weniger ist mehr – eine Regel, die die Trachtenexpertin übrigens während der Wiesn auch in anderen Zusammenhängen nur empfehlen kann. Zum Beispiel, was die hopfenhaltigen Genüsse angeht. Während des Oktoberfestes kann einem als Verkäufer(in) schon so einiges passieren. Agnes Mayr erinnert sich an einen besonderen Tag in ihrer langjährigen Karriere: „Eine Gruppe Russen hat uns vor einigen Jahren mal beehrt. Sie wollten sich komplett für’s Oktoberfest ausstatten lassen. Leider waren sie schon bei ihrem Besuch bei uns so betrunken, dass sie mir und meinen Kollegen in der Umkleide umgefallen sind. Dann haben wir sie eben im Liegen umgezogen,“ lacht die Verkäuferin. Wiesnzeit – verrückte Zeit! Das gilt wohl auch beim Münchner Herrenausstatter. Aber: auch trinken kann man mit Stil. Und dazu trägt ein gescheites Outfit statt ungewolltem Partykostüm definitiv bei.
Outfit 1 – sehr klassisch
Was? Hirschlederne, dunkle Strümpfe in schwarzem Schuh, dunkelgrüne Weste und grau-grüner Janker
Wann? Zum Beispiel zur Office-Wiesn. Oder zum Kundentermin in der Box.
Outfit 2 – klassisch aber mit Pfiff
Was? Grasgrüne Weste, farblich passender Janker, dazu hell-graue Strümpfe, Schuhe und Lederhose siehe Outfit oans.
Wann? Mittagswiesn mit Freunden, in geselliger und lockerer Runde
Outfit 3 – sportiver Wiesngeher
Was? Jeans und weiße Sneaker, Trachtenhemd, blaue Samtweste, Janker
Wann? Für den Spaziergang über’s Oktoberfest. Oder den ersten Besuch, wenn man keine Lederhose tragen, aber trotzdem passend gekleidet sein möchte.