Sound of Munich #16 James Newton – Überleben durch Musik

Geheimtipp Muenchen james newton

Für jeden von uns bedeutet Musik etwas anderes. Die einen tanzen dazu, die anderen entspannen dazu nach einem stressigen Tag. Wieder andere hören Musik nur beim Autofahren im Radio. Und dann gibt es noch Menschen, für die Musik zu einem Anker wurde. Eine Art Überlebenstaktik, ein Antrieb. Für James Newton ist Musik genau das. Der Schauspieler musste einen schweren Schicksalsschlag ertragen und nutzte die Musik, um einen neuen Antrieb zu finden. Wie aus dieser Zeit ein Album entstanden ist, hat er uns in einem sehr emotionalen und persönlichen Interview in seiner Wohnung in Giesing erzählt. 

Musik als Antrieb und Rückzugsort

James‘ Familie kommt aus England, doch er ist gebürtiger Münchner. Die kreative Arbeit hatte nicht von Anfang an. den wichtigen Stellenwert in seiner Welt, – auch wenn ihm sein Vater schon mit neun Jahren beigebracht hat, Gitarre zu spielen. Musik war für ihn also immer präsent. Schon mit 10 Jahren spielte James in einer Band – mit Dreadlocks. „Wir haben Nirvana kopiert und ich glaube, wenn ich meinen Bass hochkant aufgestellt hätte, wäre er so groß gewesen wie ich.“ Mit 16 brach er die Schule ab, um Schauspiel zu studieren. Mittlerweile ist er sowohl im Theater als auch bei Film- und Fernsehproduktionen tätig. 2019 hielt seine Welt kurz an. James‘ Mutter starb nach fünf Jahren Kampf an Krebs. „Ich bin in ein totales Loch gefallen. Das kann man eigentlich nicht in Worte fassen. Es hat sich ein bisschen so angefühlt, als hätte ich verlernt zu laufen.“ Doch nach ein paar Monaten fasste er den Entschluss, weiterzumachen – im übertragenen Sinn neu laufen zu lernen. „Entweder ich versumpfe und das wars dann mit mir oder ich stehe jetzt auf und mache etwas.“ Und dieses Etwas war die Musik. 

Der Münchner James Newton in seiner Wohnung in Giesing – ©wunderland media GmbH
Der Münchner James Newton in seiner Wohnung in Giesing
© wunderland media GmbH

Die Leere füllen

Im September 2019 fasste James den Entschluss, ein Album zu produzieren. „Das war ein unglaublich schwerer, schmerzender und anstrengender Prozess. Es gab Tage, da habe ich eine Zeile geschrieben und bin sofort wieder zurück ins Bett gefallen. Aber ich kann es nicht anders sagen: Die Musik und dieses Projekt haben mich gerettet.“ Auf dem Album verarbeitet James seinen Verlust, seine Richtungslosigkeit und den Prozess des Aufstehens und Weitermachens. „Nach einem Schicksalsschlag muss man irgendwie seine Scherben zusammensammeln und sich dann bei jeder Scherbe überlegen: Will ich diesen Teil von mir noch in meinem Leben haben?“ Dass aus diesem Prozess irgendwann ein wirkliches Album werden wird, das sich Leute kaufen können, war ihm am Anfang nicht bewusst. „Wenn ich jetzt an den Anfang zurückgehen und die fertigen Texte lesen würde, würde ich sagen „No way, das ist viel zu intim! Aber Kommunikation ist so unglaublich wichtig. Auch wenn ich mich viel isoliert habe – ich habe die Texte geschrieben, damit sie jemand hört. Also habe ich auf eine gewisse Weise trotzdem kommuniziert.“ 

Musik spielt seit seiner Kindheit eine große Rolle. – ©wunderland media GmbH
Musik spielt seit seiner Kindheit eine große Rolle.
© wunderland media GmbH

Musik als emotionale Kommunikation 

Warum gerade die Musik James aus seinem Loch holen konnte? „Mit Musik kann man eine unglaubliche Intimität erschaffen. Worte alleine können oft nicht beschreiben, was man fühlt. Musik kann aber auf eine ganz andere Art und Weise Emotionen verkörpern, denn man kann sie jenseits des Verstands spüren. Musik ist ehrlich.“ Für ihn war es also eine Überlebensstrategie. Über ein Jahr lang verzichtete James auf Alkohol, Social Media und jegliche andere negative Ablenkung und konzentrierte sich auf sein Projekt. Und jetzt, jetzt ist das Album „Heartland“ fertig und auf Vinyl-Platten gedruckt. „Mir war es wichtig, dass es als Platte rauskommt. So nimmt man Musik nochmal ganz anders wahr. Und ich finde, für das Album braucht man Zeit. Zeit zum Anhören und Zeit zu Spüren.“ Alle Erlöse aus dem Plattenverkauf gehen übrigens nicht an James, sondern an den Verein Lebensmut. Der Verein unterstützt Menschen mit Krebs und ihre Angehörige auf psychischer und menschlicher Ebene – neben der medizinischen Versorgung. „Ich möchte meinen Teil zurückgeben. Der Verein hat auch uns und meine Mutter sehr unterstützt und so möchte ich mich dafür bedanken. Das war unglaublich wichtig in der Zeit.“ 

"Meine Wohnanlage ist so gar nicht München das mag ich besonders daran."  – ©wunderland media GmbH
"Meine Wohnanlage ist so gar nicht München – das mag ich besonders daran."
© wunderland media GmbH

Vom Ankommen und der Freiheit

Verschiedene Genres, verschiedene Gefühle. „Als ich früher in der Metalband gespielt habe, war ich eher voller Wut. Jetzt ist die Situation eine ganz andere.“ Deshalb würde er selbst sein Album in den „Dark Folk“ einordnen. „Mein Produzent Jonathan Schmid hat diesen Begriff irgendwie für mich geprägt.“, erzählt er uns. Jonathan hat James an allen Ecken und Enden unterstützt. Trotzdem sind Texte und Musik von James allein. „Das war mir auch sehr wichtig, gerade bei so einem persönlichen und emotionalen Thema. Ich wollte gar nicht erst in die Situation kommen, dass mir jemand sagt „Dein Song ist nicht radiotauglich, mach mal was anderes.“ Ich wollte Intimität schaffen, natürliche Klänge und damit Ehrlichkeit, Intimität und Verletzlichkeit zeigen.“ Genauso wie es um Schmerz und das Kämpfen geht, geht es auch um das Ankommen und Frieden finden. Und genau auf diesem Weg ist James. Durch seine Musik. Und auch, wenn wir die Situation von James nicht nachempfinden können – um die Richtungslosigkeit und das Ankommen geht es doch bei uns allen.

Fast zwei Jahre arbeitete er an seinem Album "Heartland". – ©wunderland media GmbH
Fast zwei Jahre arbeitete er an seinem Album "Heartland".
© wunderland media GmbH

Jetzt wird's musikalisch! Ihr wollt "Heartland" hören?

Die Platte „Heartland“ wird nicht nur auf Vinyl und digital verfügbar sein. Am 22.4.2021 wird James Newton im Metropoltheater ab 20 Uhr einen Livestream hosten. Gemeinsam mit Serap Tari, Psycho-Onkologin bei Lebensmut e.V., und Jochen Schölch, Leiter des Metropoltheaters, wird er über seine Platte, die Musik, die Arbeit und die Zeit des Prozesses sprechen. Ihr wollt dabei sein?

Mehr Sounds aus München anhören? Für gute Laune hier lang!