Hattet ihr als Kind auch den Traum vom eigenen Baumhaus? Einen sicheren Zufluchtsort in den Baumwipfeln, fernab der Eltern und der Realität. Natürlich wünschten wir uns immer ein riesengroßes Baumhaus das – aus statischen Gründen – vermutlich nicht lange gehalten hätte. Doch irgendwann wurden wir erwachsen und zogen in eine Großstadt wie München. Und plötzlich wird dieser Traum vom Baumhaus aus dem tiefsten Unterbewusstsein wieder hervorgerufen: In Giesing beim Kulturcafé Gans Woanders. Im neuen Café, mit der wohl größten Terrasse Münchens und inmitten grüner Baumkronen, jauchzt unser inneres Kind vor Freude laut auf.
Dort, wo einst ein graues verkümmertes Fleckchen die triste Szenerie an der Pilgersheimer Straße / Ecke Kupferhammerstraße prägte, erstrahlt es seit kurzem kunterbunt. Ein rotes, verspieltes Holzhäuschen mit Spitzdach schmückt die Giesinger Fassadenlandschaft. Der ein oder andere, der das Bauvorhaben im Vorbeigehen beobachte, fragte sich: Was passiert dort? Spätestens als das spitz hölzerne Dach in den Himmel ragte, bekam es den liebevollen Namen „Hexenhäusl“. Doch was und wer steckt eigentlich dahinter?
Florian, Julian und Philipp betreiben zusammen bereits das „Gans am Wasser“ im Westpark. Als 2017 die Bürgerinitiative „Mehr Platz zum Leben“ und die Privateigentümer des Grundstückes nach Kreativen aus der Münchener Kulturszene suchten, konnten sich die drei diese einmalige Chance nicht entgehen lassen. Gemeinsam formten sie die Idee von Gans Woanders und bekamen die Möglichkeit fünf Jahre die brachliegende Fläche zu bespielen. Doch wie wir es im bürokratieliebenden Deutschland kennen, nahm dieser Akt sehr viel Zeit in Anspruch. Im Frühjahr 2020 war es endlich soweit: Die Bauarbeiten konnten beginnen.
Bevor es mit den eigentlichen Bauarbeiten losging, machten Florian, Julian und Philipp jede Haushaltsauflösung im Raum München unsicher. Gemeinsam sammelten sie liebevolle Raritäten und Antiquitäten für das spätere Interieur des Gans Woanders. Soviel, dass ihr Lager fast aus allen Nähten zu platzen drohte, erzählt uns Florian. Von den Fenstern alter Fabriken, über Kronleuchter bis hin zu alten Vintagekameras, werden im „Hexenhäusl“ die einzelnen Objekte wieder zum Leben erweckt. Das Ergebnis? Ein schlicht helles, gemütliches Ambiente gemixt mit verspielten Accessoires. Wir sind uns schnell einig: In dieser Wohlfühlatmosphäre könnten wir locker den ganzen Tag verbringen.
Das war übrigens auch ein wichtiger Aspekt für die drei Jungs. Denn das Gans Woanders gilt als neues Kulturzentrum in Giesing und soll ein Ort der Zusammenkunft diverser Generationen sein, verrät uns Florian. Außerdem bietet es eine Bühne für unterschiedliche kulturelle Angebote. So haben seit der Eröffnung Mitte August bereits kleinere Workshops, Lesungen und Konzerte stattgefunden. Das Prinzip der Selbstbedienung für Speis und Trank, sollen ein entspanntes Verweilen fernab jenes Konsumzwangs für jedermann ermöglichen. Auch das macht das Gans Woanders zu einem ganz unkonventionellen gastronomischen Angebot in München.
Wir sind hin und weg als wir die selbstgebackenen Kuchen probieren. Doch nicht nur Kaltspeisen stehen hier auf dem Programm. Die einzigartigen Rosmarienpommes, die wir schon vom großen Bruder Gans am Wasser kennen und von Kartoffeln Freisinger Landwirte stammen, runden das kulinarische Angebot ab. Viel mehr aber brennen wir für die selbstgemachten veganen und vegetarischen Pizzen, die ab 17 Uhr im eigens gebauten Steinofen knusprig gebacken werden. In Zukunft sollen diese auch zum Lunch angeboten werden. Bei der Drinkauswahl zeigt sich das Gans Woanders äußerst kreativ und experimentierfreudig. Vor allem als wir von dem Weißbier Mate hören. Den mussten wir sofort probieren!
Trotz unserem Schlemmer-Mood, dem wir im Gans Woanders nicht entkommen konnten, wollen wir von Florian wissen, wie sie denn auf den Namen des neuen Kulturcafés gestoßen sind. Das Wortspiel, so Florian, ziele auf die konträre Umgebung ab. Denn hier stößt hartgesottenes Großstadttreiben auf naive Märchenidylle. Zwei Welten die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zudem befindet es sich wortwörtlich ganz woanders vom eigentlichen Treiben der drei Initiatoren.
Die drei Jungs haben es jetzt schon geschafft, der ehemaligen trostlosen Ecke ein neues, frisches Leben einzuhauchen. Einen Ort zum Ausruhen und für zwischenmenschlichen Austausch. Davon mal abgesehen, erfüllt das Gans Woanders endlich den lang ersehnten Kindheitstraum vom großen Baumhaus – und das mitten in unserer Lieblingsstadt.