Fünf Fragen an eine Dragqueen Travestie-Künstler Dean DeVille klärt auf

Geheimtipp Muenchen Dean Deville Drag Queen 2 – ©wunderland media GmbH

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Travestie und Drag? Und wie kommt man(n) dazu, Dragqueen zu werden? Gerade in den letzten Jahren, in denen die schillernden Kostüme der Kunstform Drag immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, interessieren uns diese und andere Fragen brennend. Wir wollen nicht nur mitreden, sondern wollen die Menschen – die Künstler – hinter dieser Ausdrucksform besser verstehen und kennenlernen. Darum haben wir nachgefragt – und zwar bei der Münchner Dragqueen Dean DeVille. Beim Käffchen auf der Dachterrasse der Deutschen Eiche durften wir sie auf einen Plausch treffen und ihr unsere fünf brennendsten Fragen stellen.

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Bei einem Kaffee in der Sonne lässt es sich wunderbar verquatschen…
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Frage 1: Die Verwandlung – wie lange dauert’s?

Wir sitzen bereits gemütlich auf der schönen Dachterrasse, als der Aufzug sich öffnet und eine große, stylish gekleidete Rothaarige uns mit einem gut gelaunten “Morgen!” begrüßt. Dean DeVille, die vor bereits sieben Jahren angefangen hat, sich als Dragqueen neu zu erfinden, weiß, was sie tut und ist eine echte Erscheinung. Rund eine Stunde braucht Dennis, um zu Dean zu werden. „Früher hat die Verwandlung etwas länger gedauert“, erklärt uns die Schönheit. „Doch inzwischen schöpf ich aus reichlich Erfahrung und vor allem auch Übung und bin in Bezug auf mein Äußeres flinker geworden.“

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Dean ist eine echte Erscheinung!
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Frage 2: Woher kommt Drag als Kunstform eigentlich?

Das wollen wir dann aber doch genauer wissen. Drag hat sich in den letzten Jahren verändert. Dean erklärt uns aber, dass das Thema Drag eigentlich schon ein sehr altes ist. Begonnen habe alles zu den Zeiten, als Frauen noch nicht auf Theaterbühnen spielen durften. So mussten die männlichen Schauspieler auch die weiblichen Rollen übernehmen. „Travestie ist im Prinzip nichts anderes als eine Frauen-Imitation, die schon lange ausgeübt wird und sich natürlich durch amerikanische Einflüsse wie RuPaul’s Drag Race und mehr verändert und entwickelt hat“, erzählt Dean DeVille. Sie sieht das positiv, wirft aber ein, dass die Ursprünge und die Herkunft von Drag bzw. Travestie nicht in Vergessenheit geraten sollten und sich die Künstler, trotz der inzwischen fast schon Mainstream gewordenen Kunst, ihre Kreativität erhalten sollten. „Die Entwicklung und Individualität eines jeden Drag- und Travestie Künstlers ist sehr wichtig“, betont Dean.

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Durchgestylt von Kopf bis Fuß
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Frage 3: Drag vs. Travestie – Was ist der Unterschied?

Doch was ist jetzt eigentlich der Unterschied zwischen Drag und Travestie? Eine Dragqueen nimmt in der Regel eine Rolle ein und gibt sich einen Künstlernamen – der Künstler kreiert eine Art Alter Ego. Der Travestie-Künstler hingegen schlüpft in verschiedene Frauenrollen, imitiert oder parodiert zum Beispiel prominente Persönlichkeiten. Wie bei jeder Kunstform sind die Übergänge aber natürlich fließend. Für Dean gibt es gar keine wirkliche Diskrepanz. „Der Unterschied liegt im klassischen Drag im Vergleich zur klassischen Travestie“, erklärt sie uns und verweist hier auf frühe Travestie-Künstler aus den 80er-Jahren wie Mary und Gordy, die die jüngere Generation heute leider gar nicht mehr kenne. „Damals gab es eine zwei Stunden Show gefüllt mit Kabarett, Live-Gesang, komödiantischen Nummern und und und.“ Drag heutzutage verliere sich ihrer Meinung nach leider ein wenig in “Nummern-Shows” aus Lippsync und Stunts zwischen Death Drops. Für Dean ein großes Problem oder wie sie es ausdrückt: “Wenn ich in eine Show gehe, habe ich das Gefühl: Kenn ich eine, kenn ich alle.” Dean fehlt die Diversität in der Kunst selber. Sie selber und ihre „Kolleginnen“ geben sich damit nicht zufrieden. Bei ihnen bestehen die Shows nach wie vor aus Livemusik, Kabarett- und Tanz-Elementen.

Und auf einmal war es so Mainstream und so ‘konservativ’ in etwas nicht Konservativem, dass die Leute es verstanden haben.

Dean DeVille

Frage 4: Wie kommt man(n) dazu, sich als Frau neu zu erfinden?

Dean hat gemeinsam mit der Münchner Kollegin, Dragqueen Tracy Dash vor über sieben Jahren mit der Travestie angefangen. Und zwar mehr oder weniger unbewusst. Damals noch Barkeeper Kollegen im N.Y. Club hatten die beiden mehr aus Spaß angefangen bei der Arbeit Make-up und High Heels zu tragen. Bis sie gefragt wurden, ob sie nicht mal Lust hätten einen Abend lang als “Candy Boys” zu kostümieren. Aus diesem Abend wurde eine regelmäßige Sache. Und mit der Regelmäßigkeit kam die Entwicklung hin zu den eigenen Kunstfiguren. Dean schlug vorerst einen weniger klassischen Weg des Drags ein und probierte sich ohne Perücke, nachgezogenen Brauen und Co. aus. Dafür habe es damals heftige Kritik gegeben – haben die Unkonventionellen etwa auch ihre Konventionen? Fakt ist: Vor einigen Jahren entschied Dean sich dann dafür, den klassischeren Weg zu gehen. Künstlerisch ausprobiert hatte sie sich ja bereits und wusste genau wo es nun hingehen soll. “Und auf einmal war Drag so im Mainstream angekommen, ja fast schon ‘konservativ’, dass die Leute es verstanden haben.”

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Seit inzwischen sieben Jahren macht Dean Travestie.
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Frage 5: Was will uns der Künstler damit sagen?

“Dean DeVille hab ich nicht ‚gebaut‘, um einen politischen, gesellschaftskritischen Menschen zu erschaffen. Das versuche ich aus meiner Figur so gut es geht rauszulassen. Mir ist es wichtig, mit meiner Kunstform zu unterhalten“, erklärt uns Dean. „Um meinem Gegenüber vielleicht auch genau vor solchen Problemen befreien zu können. Wenn auch nur für einen kurzen Moment.” Was ihr auch sehr wichtig ist: dass Künstler wie sie Präsenz zeigen. Damit Drag, Travestie, Transsexualität, Homosexualität und Co. in unserer Gesellschaft ihre Berechtigung erhalten. Ihren Job und ihre Kunst so präsent wie möglich nach außen tragen – darin sieht Dean DeVille ihre große Aufgabe. Denn: “Wir müssen ein Teil der Veränderung sein!” Finden wir gut. Nicht nur weil wir für ein buntes und offenes München sind, sondern auch weil mehr Präsenz schließlich auch mehr Drag-Auftritte bedeutet, die wir so lieben.

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Von der Dachterrasse aus können wir einen schönen Blick genießen.
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Ähmmm… eine ganz persönliche Frage hätten wir dann doch noch!

Uns interessiert noch, ob es charakterliche Unterschiede zwischen Dean und Dennis gibt. Wie viel der weiblichen Kunstfigur ist erfunden, wie viel davon ist Dennis selber? Die Antwort fällt in diesem Fall knapp aus: Dean DeVille ist Dennis durch und durch. Der gelernte Friseur und seine Kunstfigur haben ein und dieselbe Persönlichkeit. Das sei jedoch nicht bei jedem Drag-Performer so, erklärt Dean: „Manche Künstler nutzen ihre Kunstfigur, um einen charakterlichen Gegenpol zu bilden. Um laut sein zu können und selbstbewusster.“ Übrigens: Es gibt auch Frauen, die Drag ausüben. Und zwar als Frauen-Imitatoren. Sie nennen sich Bio-Queens. Ihr Ziel: die lebende Karikatur. Eine Frau, die einen Mann imitiert, nennen sich Drag King. Wenn ihr jetzt Lust bekommen habt, die schillernden Kunstformen live und in Farbe zu erleben: Gemeinsam mit anderen Travestie-Künstlern tritt Dean DeVille häufig im Teamtheater auf. Ach und, wenn ihr noch mehr Persönliches von Dean, Janisha und Pasta erfahren wollt, hört mal in ihren Podcast ‘Meat Girls’ rein!

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