In die Lüfte erhob er sich, hoch und höher. Er ließ die Menschen hinter sich, unter sich, sie wurden klein und kleiner. Bald schon war er so hoch, dass er den Boden nicht mehr sehen konnte. Doch er wollte noch höher. Er wollte die Sonne berühren. Und dann schmolzen seine Flügel. So die alte Geschichte von Ikarus und seinem Traum die Sonne zu berühren. Reinhard Mey war also nicht der erste, der sich dachte, dass die Freiheit über den Wolken wohl grenzenlos sei. Es ist ein Traum, den die Menschheit von Anbeginn an träumte. Ready to fasten your sealtbelts to take off in Schleißheim?
Um diesen Traum geht es an einem besonderen Ort vor den Toren Münchens. Viele Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung dieses Menschheitstraumes dürfen wir hier miterleben. Charles Lindbergs erster Gleiter zum Beispiel lädt zum Träumen ein, sowohl als halbverrottetes Original als auch als (vielleicht flugfähiger) Nachbau. Oder ein mit Muskelkraft betriebenes Fahrrad-Fluggerät, die Muskulair II, die hier 1985 einen Weltrekord erreichte: 1500 Meter flog sie rein durch Muskelkraft betrieben, über den Schleißheimer Himmel. Nun hängt sie in diesem grandiosen Museum unter der hohen Decke.
Aber zumindest hängt sie dort nicht alleine. Eine Fülle an Flugmaschinen aller Art dürfen hier bestaunt werden: Segelflugzeuge, Motorsegler, die ersten Militärbomber, Flugzeuge, die für die Landwirtschaft bestimmt waren und vieles mehr schweben hier unter der Decke oder stehen anscheinend abflugbereit in der weiträumigen Schauhalle. Es ist ein richtiges Geschwader an Maschinen, die früher mal in Russland oder Norwegen, in Australien oder Ozeanien, quer durch Amerika oder an vielen anderen Orten zu allen Zeiten in der Luft unterwegs waren. Manche Modelle wurden in Serie gefertigt, viele sind jedoch einzigartige Unikate, die nur hier zu sehen sind.
Eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind liebevoll restauriert, repariert und meist flugfertig. Damit dies so ist, gibt es die nächste Halle. Hier dürfen wir gespannt den Meistern des Leichtbaus und der Feinmechanik über die Schulter schauen. Der Blick, eingerahmt von historischen Großflugzeugen, steht die Werkstatt. Hier reparieren sie vor aller Augen. Und nicht etwa, um die Besucher zu unterhalten, sondern weil dem einfach so ist. Weil die alten Luftschiffe hier in einen Zustand gebracht werden, der sie wieder in ihr Element erhebt – hoch über die Wolken.
Noch ein paar Meter weiter, wir als Besucher schreiten übrigens auf einem Balkon durch die Luft, warten die großen Militärmaschinen des 20. Jahrhunderts. Inzwischen transportieren sie nicht mehr tödliche Bomben, sie hängen zum Frieden mahnend unterm Hallendach. Respekteinflößend sind sie immer noch.
Um das Erlebnis abzurunden, solltet ihr es auf jeden Fall wagen, in eine alte Antonow II zu steigen, um euch damit durch den Münchner Luftraum kutschieren zu lassen. Das Ding rattert und schnauft, der Motor spotzt und stöhnt. Der intensive Geruch nach Kerosin wabert um die Nase. Dann läuft das Ding schließlich, das urtümlich anmutende Flugungeheuer nimmt lautstark Geschwindigkeit auf, und erhebt sich schließlich, so unwahrscheinlich es ist wie ein Vogel in die Lüfte. Zugegebenermaßen wie ein sehr schwerer, alter, müder Vogel, aber er fliegt…
Und dann gleitet München unter uns dahin. Die Flughöhe ist bedeutend niedriger als während eines Linienfluges, und so sehen wir sehr viel mehr: den Kranz der Allianz-Arena, den grünen Rasen in der Mitte, die Highlight-Towers von oben, den Englischen Garten mit all den Erholung suchenden ameisengroßen Menschen, das Gewimmel auf dem Marienplatz. Und auf einmal ist er da, wir sind mittendrin, er ist lebendig, lebendiger denn je – der menschheitsalte Traum vom Fliegen.