Community Kolumne Die Gummibandfrau: Ein Tagebucheintrag über das rosarote „mit ihm“ hin zum 85kg schweren „für ihn“

Geheimtipp Muenchen Date Night 1

Nach ein paar lockeren, freundschaftlichen (auch mit dem gewissen +) Treffen war es tatsächlich soweit, unser erstes 24 Stunden Beisammensein! Nein, wie schön es doch insgesamt war. Er stand da am Bahnhof, wie in dem Film, den ich noch kurz zuvor mit Mama sah. Aufrechtstehend, auf mich wartend und mit einem aufmerksamen Blick schaute er über den Bahnsteig. Unsere Blicke trafen sich, mein freudvolles Herz sprang mir bis an die Kehle und eine heißkalte Welle schoss mir in den Nacken, wobei ich mich zwang, nicht allzu viel zu lächeln. Aber einer gewissen Ohnmacht war ich dennoch nahe …

Ihr schreibt, wir posten! Die Geheimtipp München Community Kolumne

Vor kurzem haben wir einen Aufruf bei Instagram gemacht – an alle Textheld*innen und Schreibverrückte: Was bewegt euch? Welche Themen bringen euch dazu, eure Gedanken in Lesestoff zu gießen?! Schickt uns eure Texte! Die, die uns am meisten bewegt haben, posten wir in einem neuen Format; Die Geheimtipp München Community Kolumne. Here we go!

Dieser Text ist von Antonia. DANKE Antonia für diesen ehrlichen, nachdenklichen Text!

Es war wie in einer romantischen Regie …

… zu Beginn ein Spaziergang, der für erste zarte Berührungen und allmähliches Auftauen sorgte. Nein wie umwerfend waren seine Augen, als er zu mir rüber schaute und mir zulächelte! Ein erfrischendes Kaltgetränk nahmen wir dann bei ihm in der Küche ein und seine laufende „Feel good“ Playlist umschloss diese rosarote Atmosphäre. Sie schnürte sie allerdings etwas zu sehr zu, denn mir fehlte irgendwann die Luft zum Atmen. Aber egal, Hauptsache Zeit mit und bei ihm! Gott und unsere Gespräche, wie frei ich zu ihm reden konnte und er auch zu mir. So muss sich das gemeinsame Surfen auf einer Wellenlänge anfühlen, wie in der alten „Blue Water High“ Kinderserie. Und die Wellen hörten nicht auf. Gefolgt von einem köstlichen selbstgekochten Abendessen und einem gemütlichen Filmabend, wagten wir uns an den nächsten Halt unserer Reise zum Wölkchen Nummer 7: die erste gemeinsame Nacht. Die Treffen zuvor waren immer so zeitlich getaktet und eingerahmt, aber dieses Mal konnte ich die Augen schließen ohne Sorge zu haben, dass er beim Öffnen nicht mehr da sein würde. Für mich war das vollkommen und nach mehr hätte ich nicht verlangt. Einfach nur diese gemeinsam geteilte Zeit fühlen, die Nähe des anderen spüren (auch ganz ohne das +) und mit ihm das Glück, sich zu haben, einzuatmen.

Der Morgen danach …

… war allerdings ein echter, hollywoodmäßiger „der Morgen danach“. Ich wachte so merkwürdig nüchtern auf und spürte enorme Schmerzen in meinem Unterleib. Auf Zehenspitzen ging ich ins Bad und stellte fest, dass unser nächtliches Kuscheln wohl doch extremer war, als ich dachte. Ich wusch mir das Blut zwischen meinen Beinen ab. Wie sehr diese Schnittwunden brannten, werde ich nie vergessen. Hatte er solche langen Fingernägel gehabt? Das sah da unten aus, als hätte mich meine Frauenärztin im bekifften Zustand mit ihren Geräten behandelt. Wie konnte ich sowas nicht spüren? Leise tappte ich wieder unter die Decke, er schlief noch. Da ratterte es in meinem Schädel. Natürlich habe ich das hastige und harte Herumfingern gefühlt. Natürlich tat es in diesen Momenten weh und selbstverständlich hätte ich „STOPP“ und „NEIN“ sagen können, vielmehr müssen!

Dann erinnerte ich mich an den Moment, als ich zu ihm hinuntersah …

… seinen Kopf zwischen den Beinen spürte und in seine so stolzen, freudigen Augen blickte. Ich lächelte verschwitzt und mit einem unbehaglichen Gefühl im Magen zurück, denn mir wurde klar, dass ich mich ihm gerade vollkommen hingab und ihm all die Kontrolle über mich schenkte. Oder war das Liebe, die ich ihm in die Hände legte? Nicht nur all das, was er sehen konnte, offenbarte ich ihm, sondern auch all das Unsichtbare – was man denkt, fühlt und wonach es einem in hitzigen Momenten vollkommener Leidenschaft gelüstet. Es war ein tödlicher Moment, der die Liebe zu mir selbst und zu meinem Körper erdrosselte. Und was blieb mir? Eine Vagina mit blutig brennenden Rissen und ein schweigender Geist, der die Welt nicht mehr verstand.Wäre ich doch besser am Bahnsteig in Ohnmacht oder in der Küche wegen Sauerstoffmangel umgefallen. Denn so schön wie die Treffen waren und in wie vielen unzähligen Momenten ich auch glücklich zu sein schien, viel zu spät erkannte ich, was ich da eigentlich gemacht habe oder vielmehr, was ich mir da selbst antat.

Dem anderen zuliebe …

… habe ich meine sexuelle Lustlosigkeit in dieser Nacht hinuntergeschluckt, seine schwer auf mir liegende, sich hin und her bewegende Körpermasse akzeptiert und bin nicht durch die Tür der offenen und ehrlichen Kommunikation gegangen. Etwa aus Furcht vor Enttäuschung meines Gegenübers? Aus Geilheit vom Schmerz? Oder etwa aus Liebe? Warum fällt es einem oft so schwer, klar und deutlich NEIN zu sagen? Wie weit sollte/darf/kann man für den anderen gehen? Und da der Gummiband-Gedanke: wenn ich zu weit gehe, dann macht es irgendwann flitsch und es bleibt der Schmerz. Wie weit sich besonders Frauen für Männer sexuell oder psychisch hinbiegen und aufopfern können/lassen, das beunruhigt mich sehr. Und es erschreckt mich enorm zu sehen, dass ich selbst auch eine von ihnen bin. Klar, auch die schweren schmerzhaften Tage oder Augenblicke gehen vorbei, doch will ich wirklich mein Leben von diesem Gummiband terrorisieren lassen? Ich vergewaltige mich damit doch nur selbst.

Ein für mich richtiges Mittelmaß bezüglich des Gebens und Nehmens …

… muss ich also dringendst finden – allein schon meiner Vagina zuliebe! Emma Herwegh sagte: „Lass durch nichts in der Welt dich binden als durch deine höchste innere Wahrheit.“ Was genau mein Inneres ist, was es will und wonach es sich sehnt, darüber bin ich mir noch nicht im Klaren. Allerdings kann ich mit jeder neuen Begegnung und mit jedem neuen Lebensweg an diese Unklarheiten herantreten. Jetzt offenbart sich mir meine ursprünglichste und stärkste innere Wahrheit: der Glaube an mich selbst. In Besinnung darauf richte ich meinen Blick auch weiterhin nach oben und unten, nach rechts und links und auf jeden Menschen, der mir entgegenkommt. So entscheide ich, mich nicht weiter hinter meinen vernarbten Körper und der brüchigen Seele zu verstecken, sondern offen und ehrlich aus mir hervorzukommen.