Wusstet ihr, dass das Preisgeld für die männlichen Teilnehmer bei größeren Skate-Contests im tausender Bereich liegt. Skaterinnen bekommen gerade mal einen Gutschein in Höhe von 50 Euro. Fünf Skaterinnen aus München erheben gegen solche und andere Ungerechtigkeiten in der Skateszene ihre Stimme. Kaltrina, Theri, Julia, Fanta und Celina haben sich vor einigen Jahren zu einer Crew formiert. Ihr Name: Skatehoes. Provokation, Anarchie, aber auch Humor – all das und noch viel mehr steckt in der selbstgewählten Bezeichnung. Und nicht nur mithilfe des Namens sensibilisieren die Skatehoes für ein immer noch ständig gegenwärtiges Problem in unserer Gesellschaft: fehlende Gleichberechtigung.
Es ist sonnig und heiß, am Feierwerk Skatepark in der Nähe vom Heimeranplatz sind mehrere Jungs am Skaten. Einige von ihnen fahren wegen der Hitze oberkörperfrei mit ihrem Board oder BMX zwischen ein paar Hindernissen umher. Klischee erfüllt. Aber dann: Auf einem Stückchen Rasen sitzen Theri, Kaltrina, Julia, Celina und Fanta in der Sonne und bewegen lässig ihre Boards mit ihren Füßen hin und her. Die fünf Skaterinnen wollen heute eins: nach langer Regenpause mal wieder auf die Boards jumpen, Tricks üben und reden – über‘s Skaten natürlich.
Die Fünf haben sich, wie man sich vielleicht denken kann, beim Skaten kennengelernt. Angefangen hat alles hier: Auf dem Skateplatz des Feierwerks. Den Start machten Fanta und Lele. Das war eigentlich die Geburtsstunde der Skatehoes. „Wir waren einfach die einzigen Mädchen auf dem Platz – und da war die Hemmschwelle vornherein gering, sich anzusprechen,“ sagt Fanta, die durch einen Kumpel während ihres Abis zum Skaten kam. Alle von ihnen haben eine Gemeinsamkeit. Irgendwie nahm bei allen schon im Teenageralter der Boardsport ein Platz im Herzen ein. Zwar schauten sie anfangs nur zu, doch schnell standen alle selber auf dem Brett. Zu Beginn mussten die Fünf mit ihrer Angst und ihrer Schüchternheit kämpfen. Gerade weil immer nur Männer auf den Skateparks abhingen. Doch gemeinsam packten sie ihren Mut bei den Hörnern und zogen auf Münchens Skateparks umher.
Viele, die den Namen „Skatehoes“ hören, machen ein verdutztes Gesicht, erzählen uns die Mädels. Im herkömmlichen Sinne wird „hoe“ nämlich als Schlampe übersetzt. Aber die Girls haben aus diesem Begriff etwas anderes geschöpft. Statt einer Beleidigung soll es das feminine Pendant zur Namensgebung einer bekannten männlichen Skate-Crew sein, den „Skatebros“. Vernetzt sind sie mit vielen weiteren Skaterinnen und Skatern in München, erzählt uns Julia. Manche hätten aber auch ein Problem mit ihnen. Ein auffälliger Name, das provokante, selbstdesignte Logo – ein benutzter Tampon in Form eines Skateboards – das scheint wohl zu polarisieren. Das Spiel mit Tabuthemen und das Hinterfragen von Normen, die leider immer noch in der Gesellschaft herrschen – gerade dafür bekommen die Skatehoes auf ihren Social Media Kanälen aber eben auch viel positives Feedback.
„Obwohl im alltäglichen Leben unter Skaterinnen und Skatern meistens Gleichberechtigung herrscht, hinkt die Industrie hinterher“, sagt Celina. Bestes Beispiel ist das ungerechte Preisgeld bei Meisterschaften und Contests bei denen alle Beteiligten die gleichen Startgebühren zahlen, aber eben nicht den gleichen Preis erhalten. Das frustriert, sagen die Mädels. Verständlich, denn alle von ihnen vertreten feministische Werte –
die Gleichberechtigung von Mann und Frau. „Wir möchten Empowerment zeigen, Mädchen und Frauen zum Skaten motivieren und Hilfestellung geben“, erklärt Kaltrina. „Und wir wollen gängige Normen hinterfragen. Dazu gehört eben auch ein aufgeklärter und aktivistischer Umgang mit den Tabuthemen Menstruation, Verhütung aber auch das Benutzen von bestimmten Wörtern“, fügt Julia hinzu. Auch Celina versucht mit ihrer Position im Skateboarding München e.V. dafür zu kämpfen. Doch das sei immer noch „ein Kampf gegen Windmühlen“.
Wir wollen wissen, wie die lokale Skateszene so tickt. Wie es auf Seiten der Jungs aussehe, können die fünf nicht wirklich beantworten. „Die sind eigentlich sehr unter sich,“ sagt Theri. Dennoch herrsche eine friedliche Stimmung auf dem Platz. Es sei normal, dass man beim ersten Mal auf dem Skateplatz mit typischen Sprüchen konfrontiert wird. Aber das sei nicht geschlechterabhängig, sondern hinge eher davon ab, mit welchem Fortbewegungsmittel man auf den Skateplatz kommt, stellt Theri scherzhaft fest. Julia muss an diesem Punkt widersprechen. In der Vergangenheit hat sie schon das ein oder andere Kommentar miterlebt, erzählt sie uns. „Zum Beispiel Floskeln wie: Für ein Mädchen skatest du echt gut! Oder: „Wie kann man nur sowas zum Skaten tragen?!“ Mag nur so daher gesagt sein. Sagt aber trotzdem was aus.
Der Skatepark am Feierwerk ist nicht nur die Geburtsstätte, sondern auch das gängige Revier der Skatehoes. Auf einen Stamm-Skateplatz wollen sich die fünf aber nicht festlegen. „Eigentlich hängt das immer davon ab, wo die anderen gerade sind und dann stößt man dort halt dazu“, sagt Kaltrina in typisch gechillter Skater-Attitude. Der Zustand Münchner Skateparks sei enttäuschend. Was sie alle fünf dringend fordern, wären festinstallierte Toiletten und zeigen dabei auf ein vollgespraytes und demoliertes Dixi-Klo im Hintergrund. Und auch Wasserspender, wären gerade bei heißen Temperaturen von Vorteil. Aber neben grundlegender Infrastruktur seien auch andere Skateparks in schlechtem Zustand oder in ihren Möglichkeiten begrenzt, betont Theri.
Die einzige Half-Pipe Münchens in Pullach wurde zum Beispiel nach Beschwerden der Anwohner verbarrikadiert. Ein Indoor-Skatepark, wie er in anderen Großstädten üblich ist: Fehlanzeige. Hinzu käme, dass viele der vorhandenen Skateparks in München überhaupt nicht fahrbar seien. Eine Zumutung, vor allem weil das Skateboarden immer mehr an Popularität gewinnt und seit diesem Jahr sogar als olympische Disziplin anerkannt ist. Somit wird das Skaten in der Stadt vermehrt zu einer raumeinnehmenden Sache. Leider sehen das viele Außenstehende als Bedrohung, erzählen uns die Skatehoes. So als würden Skater aggressiv in den Stadtraum eingreifen – was nicht stimme, stellt Fanta klar.
Was ermutigt die Mädchen aufs Brett zu steigen und gibt es da Gemeinsamkeiten? Julia ist aufgefallen, dass Skaterinnen in ihrem Umfeld oft einen intellektuellen Background haben und aufgeschlossen sind. Kaltrina fügt hinzu, dass dies aber nicht unbedingt von der Bildung abhinge. Vielmehr, so Julia, von den positiven Lernerfahrungen und der Bereitschaft am Brett dranzubleiben. Bei den Skatehoes bestätigt sich jedenfalls Julias Wahrnehmung. Alle von ihnen haben Abitur. Fanta und Theri studieren bereits. Julia und Celina haben ein abgeschlossenes Studium. Allerdings sind sich alle von ihnen bei den Eigenschaften einer waschechten Skaterin sicher: „Skaten ist eine Sache, die man für sich macht und das ohne Druck von außen“, sagt Theri. Und tatsächlich würden alle Fünf von sich sagen, dass sie durchs Skaten auch in anderen Lebensbereichen deutlich entspannter, geduldiger und freiheitsliebender geworden sind. Eine lebenslange Einstellung? Die fünf sind felsenfest davon überzeugt, dass sie die Lust am Skaten so schnell nicht verlieren werden. Auch wenn sie später Kinder hat, möchten sie denen unbedingt das Skaten beibringen, sagt Fanta.
Wir möchten Empowerment zeigen, Mädchen und Frauen zum Skaten motivieren und Hilfestellung geben.
Kaltrina, Mitgründerin der Skatehoes
Wir sind begeistert von den Visionen, die sich die Skatehoes auf die Fahne schreiben und hoffen, dass sie dadurch andere Skaterinnen oder interessierte Anfängerinnen dazu gewinnen. Empowerment ist ein echt gutes Wort dafür. Alle fünf sind offen gegenüber neuen Anhängerinnen, die eventuell noch nicht der Mut gepackt hat, alleine auf den Skateplatz zu gehen. Was sie allen Skaterinnen und denen, die es werden wollen, mit auf den Weg geben: Sich nicht unterkriegen lassen. Stattdessen das machen, worauf man Lust hat. Selbstbewusst wie ihr Plädoyer verabschieden sie sich übrigens auch von uns: mit einem Faust-Check.
Und genau das ist er: Der Spirit der Skatehoes.