Schon mal von einer Hip-Hop-Crew zum Wandertag eingeladen worden? Häää? Ja genau. „Wandadoog“ ist nicht nur ein Song aus dem Debutalbum der Band dicht&ergreifend, sondern auch das Motto der Hacker-Pschorr Spezltour #2. Da die Jungs aus Niederbayern sonst auch so gar kein Klischee erfüllen wollen, ist dieser Wandertag allerdings ein klein wenig anders ausgefallen als in Mamas Heimatfilm.
Boarisch gehört mehr und mehr zur Pop-Kultur. Mittlerweile ist auch die Vorstellung vom Hip-Hop auf Mundart nicht mehr zu abwegig. Der aktuelle Albumtitel „Ghetto mi nix o“ lässt da sowohl die bayrischen Wurzeln, als auch das verbale Säbelgerassel derber Hasenbergl Gangster erahnen. Stimmt aber nicht! Das Ghetto in das wir eingeladen wurden, gleicht eher der Heimatsehnsucht abendlicher CSU-Phantasie.
Die Grundidee einer jeden Spezltour ist es, in die Heimatumgebung einer lokalen Prominenz eingeladen zu werden und etwas über deren Schaffen, Denken, Alltag und Nachbarschaft zu erfahren. Dicht&ergreifend hatten allerdings ein Experiment der besonderen Art in petto. Eine fahrende Bühne an einem Unimog-Oldtimer, der von einer einsamen Zirkuswiese die Reise durch den Wald zum Heimatdorf abfährt. Seit letztem Wochenende wissen wir aber nun endlich, woher George Miller die Inspiration für seinen Ghetto-Blaster-Truck im Film Fury Road fand.
Der Heimatort des Rappers Lef Dutti, das idyllische Tunzenberg ist eine kleine Ortschaft, rund um ein altes Schloss gruppiert. Im Schatten des Schlosses befindet sich versteckt auf einer kleinen Lichtung die Zirkuswiese des Ortes, die man sich in etwa so vorzustellen hat wie Gehirnströme der Wannda-Macher. Kreatives Chaos mit der Aufforderung zu verweilen. Der perfekte Ort also um eine Rap-Pilger-Tour durch den niederbayrischen Forst zu unternehmen.
Einmal das dampfende Universal-Motor-Gerät gestartet, wird recht schnell klar, dass diese Spezltour ganz nebenbei eine völlig neue Konzertform erschaffen hat. Einmal vom Flow der niederbayrischen Beatmaschine gepackt, beginnt der Tross durch den Wald zu schweben. Ganz nach dem Motto „ohne Saft hod koana a Kraft“ wird dieser Rhythmus-Zug dann auch geölt durch reichlich Hacker-Pschorr.
Die etwa 7 oder 20 oder 19 oder 9 Kilometer lange Wanderroute (die Informationen schwankten stark) hätte dabei auch 80 Kilometer lang sein können. Wer einmal einem fahrenden Live-Konzert gelauscht hat, weiß, was wir meinen. Fragt die Warboys aus der Mad-Max Zitadelle. Welche Energie von einer Live-Band von Format ausgeht, merkt man in Momenten wie diesen. Die etwa 40 exklusiven Konzertbesucher grooven sichtlich unangestrengt durch den sommerlich glühenden Wald, glücksbenommen ohne jegliche Anzeichen von Erschöpfung.
Die Laune steigt von Track zu Track und Müdigkeit wird eher vertrieben, als gesammelt. So langsam kündigt sich leider dennoch die nie gewünschte Ankunft an. Heimspiel quasi, denn der Ort Ottering – die Heimat von Georg Urquell erwartet bereits die dampfende Glücksmaschine. Die örtliche Dorfjugend weiß natürlich längst um die berühmte Anhängertruppe und ist mit Autogrammen präpariert. 2-3 Kurven später empfängt uns bereits der örtliche Wirt, welcher praktischerweise auch der Vater von Urquell ist. Direkte Connections zum Schankmeister sind also schon mal vorprogrammiert. Was könnte sich also besser zum fulminanten Abschiedsgig eignen als der elterliche Wirtshof. Rap auf Mundart begeistert übrigens alle Generationen des Ortes. Dass da von Spliffs und dem Jesus sei Kreuzwäh gerappt wird, stört die bunte Fangemeinde wenig.
Am nächsten Morgen der Party längst nicht müde, beginnt die Freude erneut in einem aufzukeimen, denn diese Spezltour besteht aus 2 Teilen. Also auf zum Tollwood, denn die 30. Ausgabe des Münchner Festival-Klassikers ist dieses mal auch der Ort des größten je gespielten dicht&ergreifend Konzertes. 5000 Karten – noch vor Tollwood Beginn ausverkauft. Die Live-Performance der Jungs eine Mischung aus Seeed, LaBrassBanda und Dendeman (andere Analogien dürfen gerne gezogen werden) peitscht nun 5000 Zirkuszeltbesucher an. Konzertbeginn 20 Uhr – Konzertende mit Stromzufuhrende des Tollwoods. Die Hängerbühne scheint der beste Trainingsort der Hip-Hop Szene. Bitte mehr davon!