Über 14 Jahre Vorbereitung und ganze zwei Jahre Produktion brauchte es, ehe die erste Realverfilmung von Michael Endes Klassiker „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ auf die große Leinwand gebracht wurde. Die titelgebende Lokomotive Emma hat es sich daraufhin in München bequem gemacht. Dort an filmhistorischer Stätte ist sie, sowie der Teil eines Vulkan-Sets, eine der neuesten Attraktion der Bavaria Filmstudios.
Touristischer Eckpfeiler der 1919 gegründeten „Bavaria Film“ ist seit jeher die „Bavaria Filmstadt“ auf dem Gelände des Hauptsitzes im Grünwalder Ortsteil Geiselgasteig. Und auch wenn hier bereits seit 1920 der ein oder andere Meilenstein des deutschen Kinos gedreht wurde, war es nicht zuletzt der 1981 erschienen Klassiker „Das Boot“ von Wolfgang Petersen, der die Studios und seine Kulissen weltweit bekannt machte. Mit diesem Film und der Zurschaustellung seiner Requisiten begann sogleich die erste Saison der berühmten Film-Tour durch die Bavaria Filmstadt, die bis heute mit über 350.000 Besuchern jährlich zu einer der größten Attraktionen Münchens gehört.
Heute, über 40 Jahre später haben neben den Klassikern des deutschen Kinos wie auch „Die unendliche Geschichte“ ihren Ursprung in der Bavaria Filmstadt, sondern auch moderne Produktionen wie die von Michael „Bully“ Herbig, ernster Stoff wie „Der Baader Meinhof Komplex“ und „Der Untergang“, sowie die bunte Welt um Asterix und Obelix mit Gerard Depardieu und Christian Clavier in den Hauptrollen.
Ausgestattet mit einem vor Filmwissen nur so strotzenden Guide geht es meist mit bis zu 60 Teilnehmern einmal quer durch die Geschichte des deutschen Films und den Studios in Grünwald. Während Corona hat sich das natürlich reduziert und an die aktuellen Vorgaben angepasst. Vorbei an vielen kleineren Original-Requisiten wie der opulenten Königskutsche aus „Ludwig II.“, einer Art Nachbau der alten Residenz und vielen weiteren Kleinoden aus „Die Wilden Kerle“ oder „Der Teufelsgeiger“ mit Schmalz-Fiedler David Garrett, taucht man immer weiter ein in den Kosmos der Bavaria Film.
Und auch wenn lediglich zwei übrig geblieben Polizeiautos Zeugen der 2010 leider abgesetzt Stunt-Show sind, geizen die Studios nicht mit Aktivitäten. So lässt sich das Set der Air Force One aus dem Action-Vehikel „End Game“ mit Samuel L. Jackson live begehen, Knöpfchen drehen und Schnappschüsse machen, während man sich unweit davon vor Green Screen selbst als Actionheld bewähren kann. Zwar sind es zweifelsohne die vielen Relikte deutscher Leinwand, die den Besuch der Filmstadt lohnenswert machen, aber auch das große Ganze in Form der vielen ansässigen Büros von Agentur bis Effektschmiede, sowie die Architektur der großen Hallen, geben einen wunderbaren Einblick in den riesigen Ameisenhaufen, den es braucht, um Kino auf Filmrollen zu bannen.
Kulissen wie nun mal „Das Boot“ und der stets beliebte Glücksdrache Fuchur, der jüngst erst Dank Florian Silbereisen und einer seiner Schlager-Shows einer Frischzellenkur unterzogen wurde, bilden zwar die großen Kernstücke der Filmstadt und dürften eher bei einem nicht mehr ganz so jungen Publikum für Funkeln in den Augen sorgen, sind aber bis heute imposant. Jüngere Gäste erfreuen sich an den riesigen Bauten samt Schlachtschiff aus „Wickie und die starken Männer“ oder lassen sich im Kolosseum aus „Asterix und Obelix gegen Cäsar“ das Fürchten lehren.
Fans der seichteren Unterhaltung werden frohlocken, wenn sie erfahren wie viel „Marienhof“ hier noch ansässig ist, während der „Sturm der Liebe“ wenige Straßen weiter für Herzschmerz sorgt, obwohl es hier gleichwohl beim „Tatort“ oder „Polizeiruf 110“ schon den ein oder anderen Mord zu klären gab. Ein Klassenzimmer, wie es heruntergeklopfter nicht sein könnte, lässt die Gäste schließlich nicht nur an einem der Sets für „Fuck Ju Goethe 3“ Platz nehmen, sondern auch mit Elias M’Barek selbst auf dem Bildschirm interagieren.
Sicher ist in jedem Fall, dass die „Bavaria Filmstadt“ Geschichte atmet und auch wenn wir es hier, trotz 4D-Kino und allerlei Interaktion samt Maskotten „Rolli“, keineswegs mit einem Kaliber a la „Disney World“ oder den „Universal Studios“ in Florida zu tun haben, handelt es sich dank der vielen lebhaften Anekdoten der Reiseführer um eine Sammlung etlicher nostalgischer und moderner Kleinode. Sowohl für Jung als auch Alt gibt es hier den einen oder anderen Schatz deutscher Filmhistorie zu heben und auch heute noch unendliche Geschichten zu erzählen.
Jede echte Geschichte ist eine unendliche Geschichte.
Michael Ende