Wer sagt, dass man nur auf dem Meer surfen kann? Ganz unabhängig von Urlaub, horrenden Flugpreisen und Massentourismus gibt es zum Glück ein paar Alternativen direkt vor der eigenen Haustür. München bietet den beheimateten Surfern ein Flusswellen-Eldorado, das tatsächlich Urlaubsgefühle aufkommen lässt. Doch wie fängt man an, wenn man sich das erste Mal auf‘s Brett wagen will? Unsere Autorin Isabell hat es ausprobiert. Worauf es bei den ersten Versuchen ankommt und wie es Isa ergangen ist, hat sie euch in ihrem Erlebnisbericht zusammengefasst.
Die meisten Münchner werden es kennen: Zu jeder noch so absurden Uhrzeit versammelt sich eine Touristentraube vor der berühmten Eisbachwelle „E1“, auf der erfahrene Surfer ziemlich coole Turns zeigen. Aus mehreren Gründen ist das genau der falsche Ort für einen Flusswellenanfänger. Zum einen will niemand in unzähligen Instagramstories der Touris den Hauptauftritt als ausgewiesener Dilettant haben und zum anderen ist ein Sturz ins Wasser für Ungeübte wie mich sehr gefährlich. Stattdessen gilt die „E2“ weiter nördlich im Englischen Garten als der perfekte Einstieg für Anfänger. Dort habe auch ich mein Glück versucht.
Zuerst muss natürlich ein geeignetes Brett her. Und bevor ihr auf die Idee kommt: Nein, das Bügelbrett der WG, das seit Jahren unbenutzt im Eck rumsteht, reicht nicht ganz. Zudem kommt man um einen Neoprenanzug nicht herum, da der Eisbach im Sommer mit Temperaturen zwischen 14 und 17 Grad nicht gerade Badewannenflair versprüht. Um einen ersten Eindruck davon zu bekommen, welches Equipment ich für mein kleines Abenteuer benötige, habe ich dem lokalen Store SantoLoco einen Besuch abgestattet. In der Eisenmannstraße, also mitten in München, versteckt sich der Surfshop in einer Gasse abseits vom Shoppingtrubel. Chris, einer der Experten aus dem Team, berät mich von Kopf bis Fuß. Er kommt selbst aus dem Surfsport und weiß deshalb, worauf es ankommt.
Von Tipps wie „Wie zieht man seinen Neo an, ohne dabei umzufallen oder sich zu fühlen wie eine Weißwurst kurz vorm Platzen?“ über die richtige Passform, bis hin zur optimalen Länge des Surfbretts, werde ich von Chris mit allen Infos versorgt und entscheide mich dann für ein 6‘0 Mick Fanning Softtop zusammen mit relativ flexiblen Finnen von FCS und einer Leash in der Länge des Bretts. Die Leash ist übrigens die Leine, die man sich um den Fuß bindet, um das Brett nicht in der Strömung zu verlieren. Bei meiner Körpergröße von 1,72m ist das Brett etwas größer als ich und bietet mit 37 Litern Volumen viel Auftrieb, was vor allem für kleinere Wellen wie die E2 wichtig ist. Außerdem sind insbesondere Softtops gut geeignet für Flusswellen, da die Steinmauern schnell Schäden anrichten können und die weiche Oberfläche quasi unkaputtbar ist.
Danach geht es an die Anprobe verschiedener Wetsuits. Grundsätzlich sollte der Neo sitzen wie eine zweite Haut, um das Eindringen von Wasser zu vermeiden, aber gleichzeitig Flexibilität bieten, um genug Bewegungsfreiheit beim Surfen zu haben. Nach ein paar Anproben und damit einhergehenden Schweißausbrüchen fällt meine Wahl auf einen O’Neill Wetsuit in der Dicke 3/2. Diese Angabe bezieht sich auf die Dicke des Materials: 3mm am Rumpf und 2mm an den Beinen sind für eine Wassertemperatur zwischen 13 und 18 Grad optimal. Getoppt wird der sportliche Einkaufstrip mit ’nem Cappuccino im hauseigenen Café. Wer sich also wirklich gut beraten lassen will, um optimal auf die erste Surfsession vorbereitet zu sein, ist bei SantoLoco an der richtigen Adresse.
Surfboard: Mick Fanning Beastie 6‘0
Wetsuit: O’Neill Hyperfreak Wetsuit 3/2+
Leash: FCS 6’
Finnen: FCS Performer Medium
Wachs: Sticky Bumps
„So schwer wird das schon nicht sein“, denke ich mir, als ich mich endlich mit meinem neuen Equipment auf den Weg zur Welle mache. Schließlich surfe ich schon seit ein paar Jahren im Meer und habe dort die meisten unkoordinierten Wipeouts hinter mir gelassen… von einem Nasenbruch letztes Jahr mal abgesehen, aber das ist eine andere Geschichte. Als ich ankomme, weicht mein Übermut allerdings ganz schnell dem Respekt vor der Strömung. Die sieht bei längerem Beobachten schlimmer aus, als sie ist, aber das weiß ich ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Meine Strategie: Kurz die Lage checken, herausfinden was die anderen Surfer so machen und dann einfach ins kalte Wasser springen (ihr wisst schon, wortwörtlich).
Die erste Hürde ist die Bachüberquerung. Wenn man es beim ersten Mal geschafft hat, nicht 200 Meter zu weit flussabwärts zu treiben, fühlt man sich als hätte man gerade erfolgreich die Isar an ihrer reißendsten Stelle durchquert – soviel kann ich euch aus eigener Erfahrung sagen. Nachdem ich mich und mein Brett dann elendig am Zaun hochgezogen habe (ein paar Liegestütze vorher hätten wohl geholfen), stehe ich zusammen mit den anderen Surfern in einer Schlange und es bleibt mir gar nicht anderes übrig, als den Sprung auf die Welle zu wagen. Der stellt sich für mich schnell als die größte Herausforderung heraus. Es bedarf schon einiger Anläufe, ein paar gefühlte Waschmaschinengänge und Tipps von den anderen Surfern, bis ich es endlich geschafft habe, auf der Welle zu stehen.
Mein Fazit: Das Gefühl ist ein anderes, als im Meer zu surfen. Das Spaßlevel ist aber ähnlich hoch. Dranbleiben lohnt sich also. Für mich zumindest war es ein grandioses Erlebnis, das ich von nun an öfter haben will. Die Stimmung bei der Welle ist meiner Erfahrung nach sehr respektvoll untereinander – solange man sich an die Regel hält, sich hinten anzustellen. Ab jetzt heißt es für blutige Anfänger wie mich: üben, Wasserschlucken und wieder üben. Was ich sagen kann, ist: Der Münchner Swell kann was und wenn mich das nächste Mal die Sehnsucht nach Wellen und Urlaubsfeeling packt, weiß ich wo ich Trost finde.